Es wogt rundherum, sie stürmt und braust über den Rasen und durch die gegnerischen Reihen, die Avantgarde der "Squadra Azzurra". Und sie hat sich durchgesetzt, die aufbegehrende neue Generation der Nationalmannschaft, die ihn weggeblasen hat, den Staub einer überkommenen Vorstellung vom italienischen Fußball. Sie ist bei dieser Europameisterschaft quasi zu einem Markenzeichen geworden, die berauschende Frische des von Roberto Mancini zum Leben erweckten "Nuovo Calcio", des neuen Fußballs.

Doch mittendrin, da halten sie durch, die Altmeister, wie Felsen in der Brandung, die allem Ansturm widerstehen. Als Duo sind sie praktisch nicht zu überwinden, Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci. Nur einen Gegentreffer musste Italien bei dieser Euro aus dem Spiel heraus in Kauf nehmen, der passierte gegen Österreich. Aber da fehlte Chiellini verletzt. Und das Tor der Belgier entsprang dem von Romelu Lukaku verwandelten Elfmeter.

In vielen gemeinsamen Jahren haben der 36-jährige Chiellini und sein drei Jahre jüngerer Kompagnon ihr Zusammenspiel bei Juventus einer gründlichen Pflege unterzogen, auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit durch Corona bzw. die eine oder andere Verletzung zu Störungen kam. "Wir kennen einander in- und auswendig", erklärte Bonucci am Tag vor dem Halbfinale gegen Spanien. "Einer hilft dem anderen, das ist ein natürliches Verhalten geworden, da stimmt einfach die Chemie, wir verstehen uns blind", beschreibt der Jüngere das Zusammenspiel mit Kapitän Chiellini.

Uni-Karriere mit Auszeichnung

Dieser hat mehr erlebt als andere, denn der gute Mann investierte seine Fähigkeiten auf vielfache Weise. Chiellini kann nicht nur auf eine Fußball- sondern auch eine Uni-Karriere verweisen. Der Kicker aus Livorno verfügt seit 2010 über einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und legte einige Jahre später noch einen MBA (Master of Business Administration) nach. Beides absolvierte der auf dem Feld beinharte Verteidiger mit Auszeichnung.

Da fällt es dem Fußballer Chiellini leichter, über den Dingen zu stehen, wie nach dem "Schulterschluss" der besonderen Art bei der WM 2104 mit Luis Suarez. Der Uruguay-Stürmer hatte beim Turnier in Brasilien seinen italienischen Widersacher mit einer während des Spiels vom Schiedsrichter unbemerkt gebliebenen Beißattacke überfallen. "Ich bewundere seine Gerissenheit", sollte Chiellini später diesen Vorfall kommentieren. Der Abwehrchef der Italiener hat sich den Respekt des Gegners in vielfacher Hinsicht erarbeitet.

Jung und neu

Auf der Gegenseite machten zwei Spieler bei dieser Euro von sich reden, die zuvor im spanischen Team gar nicht auffallen konnten, weil es sich um Neuankömmlinge handelt. Pedri, zarte 18 Jahre jung, wurde von Luis Enrique im März für die WM-Qualifikation geholt, spielte vor der Europameisterschaft einmal durch, verpasste aber beim Turnier bisher nur die letzten zwei Minuten der Verlängerung gegen die Schweiz. Nur Unai Simon und Aymeric Laporte standen als bisher gar nicht Ausgewechselte noch länger auf dem Platz.

Pedri (18) hat eine große Karriere im Visier
Pedri (18) hat eine große Karriere im Visier © AFP

Der frühreife und hochbegabte Jungstar aus Teneriffa landete 2019 als Sechzehnjähriger beim FC Barcelona, der Las Palmas damals fünf Millionen Euro überwies. Mittlerweile beläuft sich der Marktwert von Pedri auf 70 Millionen Euro. Den jungen Mann, der bei der Euro auf eine Passquote von über 90 Prozent verweisen kann, ist offenbar durch nichts zu erschüttern, denn selbst der Rückpass auf Unai Simon, der gegen Kroatien das 0:1 bedeutet hatte, brachte den jungen Mann nicht aus dem Takt.

Ebenfalls erstaunlich verläuft der Werdegang von Laporte. Erst im Mai war der gebürtige Franzose mit baskischen Vorfahren eingebürgert worden, schon ist er aus der spanischen Nationalelf nicht mehr wegzudenken. Bei der EM-Endrunde verpasste der zuvor viele Jahre bei Athletic Bilbao engagierte 27-jährige Verteidiger von Manchester City, nach seinem Debüt im letzten Euro-Härtetest gegen Portugal bisher keine einzige Minute. Auch diese Personalie gehört in die von Teamchef Luis Enrique entwickelte Überraschungsabteilung.