Das schöne Spiel kommt von den Deutschen
Von spielerischem Überfluss wurde diese Weltmeisterschaft nicht überschwemmt, weil sich der fußballerische Drang durch taktische Barrieren aufstaute. Die Deutschen konnten ihrer Lust im Halbfinale freien Lauf lassen, denn die Brasilianer kamen ihnen entgegen und verzichteten auf wirksame Gegenmaßnahmen. Bekommt sie nur ein bisschen Freiraum, ist die Mannschaft von Jogi Löw kaum zu bremsen. Die Argentinier erwiesen sich als Minimalisten. Von spielerischer Überzeugungsarbeit war nicht viel zu sehen, nur vereinzelt gab es Spielzüge mit eingebautem Überraschungsmoment. Deutschland hat in der Offensive mehr Varianten anzubieten, und ist auch wesentlich torgefährlicher. Das Kombinationsspiel konnte gegen Brasilien nahezu ideal praktiziert werden, wie als Übungseinheit für das Finale. Die mannschaftliche Geschlossenheit, gepaart mit schnellem Aufbauspiel, spricht hier für die Deutschen. Argentiniens Kollektiv hat das Nachsehen.
Die Haltbarkeits-Garantie
Argentiniens Keeper Sergio Romero avancierte zwar im Halbfinale gegen die Niederlande zum Elferhelden, doch der überragende Torhüter dieser WM heißt Manuel Neuer. Der Deutsche brilliert nicht nur durch bestes Stellungsspiel und glänzende Reflexe, sondern verfügt auch über ein perfektes Timing, wie er wiederholt beim Herauslaufen unter Beweis stellte. Sein Gegenüber Romero kann da nicht mithalten. Größtes Manko des argentinischen Torhüters ist dessen mangelnde Spielpraxis. In der vergangenen Saison kam er als Ersatzgoalie nur zu wenigen Einsätzen bei AS Monaco.
Romero hat das Glück, eine exzellente Abwehr vor sich zu wissen. In vier Spielen blieb Argentinien nicht nur ohne Gegentor, sondern ließ auch kaum Chancen zu. Da könnten es auch die Deutschen schwer haben.
Stark, aber nicht abgehoben
Früher, als der deutsche Nationalfußball noch nicht vom schönen Spiel geprägt war, etwa in den 80er-Jahren, galt das Team als arrogant, und wurde dafür auch im eigenen Land getadelt. Diesen Ruf ist die Mannschaft ungeachtet ihrer spielerischen Entwicklung nie ganz losgeworden. Abgehoben wirkt Deutschland aber längst nicht mehr, was nach dem 7:1 gegen Brasilien besonders auffiel. Klose, Kroos & Co. (Bild) versuchten sich geradezu in demonstrativer Demut. Das Selbstvertrauen aber blieb bestehen, die mentale Stärke spricht für die Deutschen.
Die Argentinier sind zwar in Brasilien zur Turnier-Mannschaft gereift, ihr Spiel steht und fällt aber mit der Befindlichkeit einzelner Akteure. Zudem ist die Debatte um den möglichen Abschied von Teamchef Alejandro Sabella dem inneren Zusammenhalt nicht förderlich.
Ein Punkt für Argentina
Lionel Messi hat in der Gruppenphase der WM die Spiele fast im Alleingang entschieden, sich aber seither in nobler Zurückhaltung geübt. Er spielte mannschaftsdienlicher, wie es hieß, und mit dieser Argumentationslinie nahmen auch seine Kollegen ihren Hauptdarsteller in Schutz. Doch Messi ist auch unberechenbar, das könnte in einem WM-Finale schlagend werden. Bei der vergangenen Weltmeisterschaft in Südafrika war Messi im Viertelfinale gegen die Deutschen (0:4) besonders farblos geblieben. Allein schon in dieser Hinsicht hätte der Argentinier was gut zu machen. Wenn es in diesem Finale ganz eng wird, kann ein Messi den Ausschlag für die Südamerikaner geben.