Von Brasilien lernen heißt für Russland: Siegen lernen. Am Zuckerhut hat der Gastgeber 2018 sehen können, wie man eine WM stimmungsvoll organisiert. Russland mag nicht so eine Fußball-Tradition haben, profitiert aber von ökonomisch und logistisch besseren Bedingungen.

Wladimir Putin sollte bei seiner Reise zum WM-Endspiel nach Rio de Janeiro Augen und Ohren offen halten. Brasilien hat mit seiner "Copa das Copas" die Messlatte für den nächsten WM-Gastgeber sehr hoch gelegt. Wenn die Fußball-Welt 2018 nach Russland kommt, werden die Erinnerungen an das Spektakel-Turnier gewiss wieder in Erinnerung gerufen. So schön war es damals in Brasilien, werden viele sagen. Russland hat nicht annähernd so viel Fußball-Historie und Fußball-Kultur, aber einen ehrgeizigen Plan, für den auch Präsident Putin persönlich steht.

Nach den Olympischen Winterspielen 2014 und der Formel-1-Premiere in Sotschi wird die WM die mit Abstand größte Herausforderung in der sportlichen Großmannssehnsucht Russlands. Die Voraussetzungen sind angesichts der Unterstützung durch den Kreml bestens. "Die Bedingungen in Russland sind andere", sagte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke. Er selbst werde im Gegensatz zum Brasilien-Turnier nicht so oft zu Kontrollreisen nach Russland müssen.

Die Infrastrukturprogramme im zweistelligen Euro-Milliardenbereich sind längst angelaufen. Vier Stadien werden um-, gleich acht werden neu gebaut. Zu einer Reality-Show im TV wurde schon die Präsentation der 11 Spielorte mit 12 Stadien. In Moskau, St. Petersburg, Kasan, Sotschi, Wolgograd, Saransk, Rostow, Samara, Jekatarinenburg, Kaliningrad und Nischni Nowgorod wird gespielt, in Moskau (ent)stehen zwei Stadien - die Luschniki-Arena ist Ort von Eröffnungs- und Endspiel. Ein Versprechen soll die Sorge vor riesigen Distanzen mildern. Fans dürfen kostenlos das Schnellzugsystem nutzen.

Versprochen ist auch schon seit langem ein visafreier Aufenthalt für alle WM-Besucher aus dem Ausland für das Turnier vom 8. Juni bis 8. Juli 2018. "Solch einen Fall hat es in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften noch nie gegeben", sagte Putin in einem am Freitag veröffentlichen Interview unter anderem der russischen Staatsagentur Itar-Tass.

Schon bei der WM-Vergabe im Dezember 2010 hatte Russland mit diesem Angebot kokettiert. Die Erinnerung an jene überraschende Nominierung als Gastgeber hat mittlerweile aber einen Schatten. Wie Katar 2022 wird auch die Vergabe an Russland noch von der Ethikkommission der FIFA untersucht. Chefermittler Michael Garcia konnte zu Befragungen allerdings nicht selbst nach Russland reisen. Ihm wurde die Einreise verweigert. Dem US-Juristen hält der Kreml vor, für die Inhaftierung des Waffenhändlers Viktor Bout mitverantwortlich gewesen zu sein.

Die FIFA ficht das nicht an. Im Gegenteil. Der Fußball-Weltverband kooperiert mittlerweile eng mit dem russischen Gasriesen Gazprom. Wie auch Franz Beckenbauer, der 2010 als damaliges FIFA-Exekutivmitglied an der WM-Vergabe beteiligt war und laut Berichten von ihm gewogenen Medien für Russland stimmte. Wenn der Garcia-Bericht publik gemacht wird, ist mit Spannung zu erwarten, wie sich die Bewertung der Russland-Kandidatur von der Katars für 2022 unterscheidet.

Eine Aberkennung der Gastgeberrolle - wie für Katar längst nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen - ist aber unrealistisch. Die Zeit rast dahin. Schon in drei Jahren wird der Confederations Cup als Generalprobe gespielt. Der Sieger des Sonntagsfinales zwischen Deutschland und Argentinien ist beim Testlauf in vier russischen Städten dabei. Schon am 25. Juli 2015 findet in St. Petersburg die Auslosung der weltweiten Qualifikationsgruppen statt. Auch bei diesem Ereignis wird Putin Augen und Ohren offen halten - und sich bestmöglich in Szene setzen.