Das deutsche Fußball-Puzzle fügt sich Stück für Stück zum WM-Pokal zusammen. Je länger das Turnier dauert, umso mehr kristallisieren sich die teilweise mutigen Entscheidungen von Teamchef Joachim Löw als goldrichtig heraus. Und wenn Löw nicht ganz richtig liegt, dann greift er korrigierend ein. Wie im Fall von Kapitän Philipp Lahm, der seit dem Viertelfinale wieder als rechter Verteidiger spielt.
Bei Sami Khedira hat Löw hoch gepokert. Das Risiko hat sich ausgezahlt. Zusammen mit Toni Kroos bildet der Star von Real Madrid nicht nur das neue hochgelobte Antreiberduo des WM-Finalisten. Khedira ist acht Monate nach seinem Kreuzbandriss genau wie der beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien "doppelte" Kroos auch wieder als Torschütze unterwegs. "Sami hat sich nochmal wahnsinnig gesteigert", lobte der Bundestrainer.
"Es war gut, dass er zwischendurch mal zwei Spiele Pause hatte. Das hat er einfach gebraucht, das war notwendig", betonte Löw. Es war ein Zeitplan nach Maß. Khedira arbeitete in der Rehabilitation hoch professionell, Löw hielt dem 27-Jährigen wegen dessen "Mehrwerts" für das Team den WM-Platz frei.
Gegen Brasilien waren plötzlich Dominanz und Robustheit zurück. "Diese physische Präsenz vom Sami, diese Dynamik auch in den Zweikämpfen und vor allem auch, dass er aus dem Mittelfeld immer wieder in die Spitze stößt, ist schon eine große Stärke von Sami", betonte Löw. Das unterstrich Khedira mit seinem fünften Länderspieltor. Zuletzt hatte er im Oktober des Vorjahres beim 3:0 gegen Irland getroffen, ehe er sich schwer verletzte.
Der DFB-Chefcoach hatte für Khedira und den ebenfalls länger lädierten Bastian Schweinsteiger extra sein System auf drei defensivere Mittelfeldspieler umgestellt - davon profitierte auch Kroos, der hartnäckig mit dem Khedira-Club Real Madrid in Verbindung gebracht wird.
"Ach ja, ich habe gesagt, dass ich dazu nach der WM etwas bekannt gebe. Daran werde ich jetzt nichts ändern, ich bin anscheinend ganz gut damit gefahren", sagte Kroos nach der Gala mit zwei eigenen Toren. Kroos spürt wie seine Mitspieler spätestens nach der Halbfinal-Gala ("Wir haben ein Tor nach dem anderen gemacht. Das konnte man zwischendurch kaum glauben"), wie nah die Mannschaft in Brasilien am ganz großen Triumph ist.
"Wir sind uns bewusst, das war eine tolle Leistung. Trotz allem: Wir sind hier, um Weltmeister zu werden, das sind wir noch nicht. Wir haben noch ein unglaublich schweres Spiel, noch einen Schritt zu gehen", sagte der gereifte Kroos. Genau so sieht es der neue WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose, auf den Löw ebenfalls beharrlich vertraut und dafür einmal mehr belohnt wird.
Auf den Rekord-Salto verzichtete der 36-jährige Klose beim Jahrhundertsieg. "Bei meinem Tor habe ich einen Schlag abbekommen, da war ich nicht in der Lage, einen Salto zu machen", begründete Klose den Verzicht auf seine traditionelle, aber auch riskante Jubeleinlage. "Das bedeutet uns allen wahnsinnig viel", sagte Löw, eröffnete aber zugleich wieder ein bisschen die Jagd auf die Klose-Marke. "Das ist ein Rekord, der in Zukunft vielleicht nur von Thomas Müller nochmal gebrochen werden kann. Er könnte da mal irgendwie einschreiten. In der Historie der WM die meisten Tore erzielt zu haben, das ist eine ganz überragende Leistung."
Müller scherzte: "Natürlich bin ich ihm auf den Fersen, sonst wäre ich falsch hier. Aktuell ist er noch vorn. Aber er hat ja auch altersmäßig gefühlte 20 Jahre Vorsprung." Der WM-Torschützenkönig von 2010 ist nach seinem fünften Tor in Brasilien auf einem guten Weg, als erster Torjäger der Turnier-Historie diesen Titel erfolgreich zu verteidigen. Einen Treffer liegt er zur Zeit hinter dem Kolumbianer James Rodriguez. "Wir ziehen durch bis zum Schluss. Mal schauen, was dann alles abgefallen ist", meinte Müller.