Der Sport schreibt bekanntlich die schönsten Geschichten. Besonders jene von Außenseitern, die vielen gar nicht auf dem Radar haben. Oder hatten. Der Klagenfurter Thimo Nickl wanderte im Sommer 2019 nach Kanada aus. Um sich seinen Traum, Eishockey-Profi zu werden, zu erfüllen. Es gibt kaum geeignetere Plätze dafür als das "Mutterland des Eishockeys". Sein Name sowie seine Fähigkeiten waren selbst damals nur wenigen heimischen Eishockey-Kennern ein Begriff. Auch in seiner neuen Wahl-Heimat hatte ihn damals kaum jemand auf dem Zettel. Dieses Bild hat sich mittlerweile erheblich verändert.

Thomas Vanek, Michael Grabner, Michael Raffl und natürlich auch Marco Rossi. So lauteten bis dahin die Namen der österreichischen Eishockey-Spieler, die der nordamerikanischen Eishockey-Szene ein Begriff gewesen ist. Rasch etablierte sich ein weiterer heimischer Akteur in den Notizbüchern von NHL-Spezialisten: Thimo Nickl flog bis dahin, unbeachtet von der nordamerikanischen Öffentlichkeit, unter dem Radar. Und viele hätten selbst im Frühling 2019 noch nicht damit gerechnet, dass der mittlerweile 18-jährige Klagenfurter plötzlich als potenzieller Draftkandidat gilt. Freilich nicht in den Sphären eines Rossi, aber immerhin auf solidem Boden (zwischen dritter und fünfter Runde).

Nur an 51. Stelle wurde Nickl vor etwa einem Jahr im CHL-Import-Draft gezogen. Dieser gilt als reiner Agenten-Draft. Für die Drummondville Voltigeurs (QMJHL), die nebenbei auch Fabian Hochegger verpflichtet hatten, sollte sich dieses Wagnis bezahlt machen. Mit Saisonende wird der rechtsschießende, großgewachsene Verteidiger in den ligainternen Top Ten für den bevorstehenden NHL-Draft gereiht. Eine wesentliche Grundlage lieferte die Tatsache, dass sich Nickl in der Punkteliste als zweitbester Verteidiger der Voltigeurs präsentierte. Im Powerplay war nicht nur sein hammerharter Schuss gefürchtet. Er lieferte auch 19 Assists. Insgesamt wies der KAC-Eigenbau-Akteur eine Bilanz von zehn Treffern und 29 Assists vor. Und: Er wurde für das CHL-All-Star-Game (Top-Prospect-Game) einberufen.

Am 23. März jedoch musste die laufende Meisterschaft der gesamten CHL und deren Ligen WHL/OHL/QMJHL aufgrund der Ausbreitungen des Corona-Virus beendet werden. Einen noch nicht näher definierten Aufschub erfuhr auch der NHL-Draft, der für Ende Juni anberaumt gewesen wäre. Nach seiner vorzeitigen Rückkehr zog Nickl im Telefon-Interview ausführlich Bilanz:

Die Rückreise erfolgte beinahe im letzten Abdruck. Wann sind Sie in Klagenfurt gelandet?

Thimo Nickl: Bereits am Dienstag, den 17. März. Mit einer der letzten Maschinen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir zuwarten müssen. Anfangs war ja unklar, ob die Saison fortgesetzt wird. Wir haben aber schon zuvor mit unserem Agenten Peter Kasper und dem Drummondville-GM Philippe Boucher entschieden, dass wir heimfliegen dürfen.

Ihr Eishockey-Alltag hat binnen Stunden völlig verändert. Wie sieht er jetzt aus?

Ich versuche jeden Tag andere Aktivitäten auszuüben. Schießen, Stickhandling, Laufen gehen, aufs Rad, Liegestütz/Situps etc. Geschossen wird zu Hause in der Garage. Die Wand dahinter hat schon ein paar Schrammen und ein Stuhl musste bereits dran glauben.

Wie lautet ihr Resümee nach der ersten Saison in Kanada?

In Summe war es ein sehr erfolgreiches Jahr. Ich bin stolz, auf die Art und Weise wie ich mich auf das kanadische Eishockey eingestellt hatte. Die erste Saisonhälfte lief für mich persönlich allerdings besser, als die zweite.

Orten Sie Gründe dafür?

Vielleicht lag es an der Müdigkeit. Am Ende waren es ja drei Spiele pro Woche. Das führte dazu, dass mir manchmal in gewissen Spielsituationen Fehler unterlaufen sind, die mir eigentlich fremd sind. Vielleicht habe ich mir nach der starken ersten Saisonhälfte auch höhere Ziele gesteckt hatte. Trotzdem war es eine richtig gute Saison und sicherlich die richtige Entscheidung nach Übersee zu wechseln.

Das spiegelt sich definitiv wider. Sie werden als potenzieller NHL-Draft-Kandidat gehandelt. . .

Ich muss jedoch gleich mein Team hervorheben. Hätten wir nicht so gute Leistungen abgeliefert, wäre ich wohl niemandem aufgefallen. Und das wiederum zeigt, wie gut im Klub selbst gearbeitet wird.

Es gibt da einen Bericht, der Sie "unter dem Mikroskop" betrachtet. Sie kennen diesen Bericht?

Natürlich.

Darin hat Sie ein gewisser Craig Eagles als aussichtsreicher Kandidat für den NHL-Draft hervorgehoben. Wie liest sich das?

Natürlich bin stolz darauf, dass sich solche Journalisten für mich interessieren. Das Gefühl, seinen Namen in so einem Bericht zu lesen ist schon toll. Aber ich versuche mich trotzdem auf das Wesentliche zu fokussieren, sodass ich auch kommende Saison eine gute Leistung abliefern kann. Klar, der Draft ist jetzt allgegenwärtig. Sich aber nur darauf zu versteifen, wäre ein großer Fehler. Da würde man die anderen Ziele aus den Augen verlieren, wenn man jetzt nur an die NHL denkt, und nicht an die Gegenwart in der QMJHL.

Was löst der Begriff "NHL-Draft" bei Ihnen aus?

Ehrlich gesagt bin ich ein wenig nervös. Ich habe viele Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet. Dass ich jetzt dafür in Betracht gezogen werde ist ein unbeschreibliches Gefühl. Leider müssen wir uns aber aufgrund der Verschiebung noch gedulden.

Wann haben Sie realisiert, dass es darauf hinausläuft?

Ich habe nur von anderen Spielern vom System erfahren, wie es ist, wenn man NHL-Scouts trifft. Auch mit meinem GM Philippe Boucher haben wir darüber gesprochen. Vor dem ersten Treffen war ich schon aufgeregt. Irgendwann wurde es zur Routine. Es haben sich viele Scouts für mich interessiert.

Ihre Einschätzung der Lage?

Ich hoffe einfach, dass mein Name aufgerufen wird. Ich habe aber ein gutes Gefühl.

Welche Eigenschaften haben die Scouts hervorgehoben?

Meine Aggressivität. Einige haben gemeint, dass nur wenige Europäer eine solche körperliche Präsenz unter Beweis stellen. Weiters meinen Schuss und die Art, wie ich ein Spiel lesen kann - das hat sie offenbar imponiert. Insgesamt gab es Gespräche mit 21 Teams. Einige davon zeigten mehr Interesse.

Wer?

In den Gesprächen mit Colorado Avalanche, LA Kings und Chicago habe ich mich gut gefühlt.

Wie geht es für Sie weiter?

Wir haben uns mit Peter Kasper (Agent, Anm.) und Philipp Pinter (Personal Trainer, Anm.) zusammengesetzt und sind die Punkte durchgegangen, was ihnen aufgefallen ist, wo ich mich grundsätzlich verbessern muss. Diesen Trainingsplan gilt es abzuarbeiten.