Wann gilt ein Experiment als gescheitert? Etwa wenn binnen kürzester Zeit die Argumente Geduld oder Geld auf den Tisch geworfen werden. Beides ist bekanntlich in der Eishockey-Liga nicht im Übermaß vorhanden. Hätte die Liga mit ihren Klubs ihren Plan glaubwürdig und langfristig verfolgt, erstreckt sich dieser bis 2023. Nun wurde aber bereits zwölf Monate später die abgesegnete, stufenweise Reduktion von Imports wieder verbrannt.

Bereits Anfang Dezember 2019, also lange vor Corona, verdichteten sich die Anzeichen (die Kleine Zeitung berichtete exklusiv). Jetzt müssen lediglich Details geklärt werden. Die Eishockey-Liga wird sich von ihrer stufenweisen Importreduktion (vorerst) verabschieden. Einst auf Drängen von ServusTV, Erste Bank (haben dem Eishockey den Rücken gekehrt) sowie dem Österreichischen Eishockey-Verband (ÖEHV) umgesetzt. Doch das Risiko war offenbar zu groß, dass die Liga-Landschaft neuerlich kleiner wird. Anlassfall sollen vor allem die diesjährigen, miserablen Vorstellungen von Dornbirn oder Innsbruck gewesen sein.

Beide Teams zeigten sich nie wirklich konkurrenzfähig, die Liga büßte an Spielstärke und in Folge Ausgeglichenheit sowie Spannung ein. Natürlich auch an Image. Und teilweise reduzierten sich die Kader während der Saison auf zweieinhalb Linien. Selbst DOPS-Boss Lyle Seitz ließ es sich nicht nehmen, diese Vorgehensweise in einem Interview zu kritisieren.

Dabei sei gesagt: Das jahrelange, mangelnde Bekenntnis zum eigenen Nachwuchs lässt sich eben nicht binnen eines Jahres reparieren. Der Schaden ist ein langfristiger. Es braucht Knochenarbeit - wie etwa bei KAC, Salzburg oder Vienna Capitals, mittlerweile auch beim VSV sowie Black Wings Linz ablesbar ist. Während Einige also den Ernst der Lage längst erkannt haben und proaktiv Besserungen hervorrufen, lockt andererseits der Weg des geringsten Widerstandes: Neue Imports.

Zusätzliche junge Imports

Die Aufweichung der Regel im Detail: Auf eine weitere, 2019 beschlossene Reduktion von 44 auf 40 Kaderpunkte für Legionäre wird verzichtet. Das Hintertürchen bilden junge Imports. Zu zehn "Senioren" sollen entweder drei U22- oder zwei U24-Ausländer dazukommen. Für die Mehrheit der rot-weiß-roten Klubs ändert sich wenig. „Sechs von zehn Vereinen haben aufgrund ihrer hohen Anzahl an Österreicher gar keine Chance, mehr Imports zu verpflichten. Wie etwa der KAC“, so Liga-Geschäftsführer Christian Feichtinger, der aber bekräftigt, dass die Regel für alle Klubs gelten soll.

Das allgemeine Bekenntnis zur Importreduktion soll laut Feichtinger nicht darunter leiden. „Aber die große Ausgeglichenheit war immer eine Stärke der Liga.“ Verabschiedet soll die adaptierte Punkteregel in der nächsten Generalversammlung werden, die ausnahmsweise auch als Videokonferenz stattfinden könnte. Und all das nur wenige Monate nachdem Österreichs U20-Nationalteam bei der Weltmeisterschaft in Minsk den Aufstieg in die Eishockey-Elite geschafft hatte.

Corona beschäftigt die Liga

Die Adaptionen der Punkteregel beschäftigen die Liga aber nicht primär, wie Feichtinger versichert. Zu Plan A, also einem Saisonstart mit allen elf bisherigen Liga-Klubs plus dem potenziellen Neuzugang Bratislava Capitals, legt der Ebenseer noch andere, weniger verheißungsvolle Varianten auf den Tisch: "Plan B ist ein späterer Liga-Start, Plan C ein späterer Liga-Start mit Geisterspielen, Plan D sieht eine Meisterschaft mit einer Eingrenzung von internationalen Teams vor und Plan E eine rein österreichische Meisterschaft", zählt der Liga-Geschäftsführer die Problematik aufgrund des Corona-Viruses auf.

Und im schlimmsten Fall droht die neu erschaffene Punkteregel in puncto Imports ohnehin obsolet zu werden: Wenn der Corona-Ausnahmezustand noch länger bestehen bleibt und Einreisebestimmungen gar keine Eishockey-Cracks aus anderen Ländern zulassen. "Vielleicht müssen wir dann kommende Saison gänzlich ohne Transferkarten-Spieler auskommen", seufzt Feichtinger. Wie und ob dann eine Meisterschaft ausgerichtet werden kann, steht ebenfalls in den Sternen.

Fazit: In erster Linie muss der Eishockey-Sport in den kommenden Monaten wohl sein Überleben sichern. Die Anzahl der Imports soll zwar nicht aus den Augen verloren werden, darf jetzt aber nicht entscheidend sein. Und Experimente benötigen eben auch ruhige, wenn nicht sogar perfekte Umgebungs-Bedingungen. Das ist seit dem Ausstieg von Erste Bank und ServusTV nicht mehr der Fall. Verantwortungsvoll handeln heißt eben auch, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, anstatt dem Wasserfall entgegen zu rudern.