Diese bangen Minuten, als Patrik Kittinger minutenlang regungslos auf dem Eis gelegen ist, wird wohl niemand vergessen. Keiner, der an diesem Abend in der Eisarena Kagran war oder die Videoszene gesehen hat. Nach einem völlig sinnlosen Crosscheck von KAC-Verteidiger Michael Kernberger bei 31:30 Spielminuten krachte der Wien-Stürmer mit dem Kopf voraus in die Bande. Eine Horror-Szene, wie sie beispielsweise in der Schweiz bereits zu Querschnittslähmungen geführt hat. Zum Glück fiel beim Wiener die Verletzung nicht annähernd so tragisch aus.

Lukas Haudum befürchtete bei seinem Kollegen Lebensgefahr und reagierte blitzschnell. Der KAC-Stürmer befreite sich aus dem Gerangel, kniete sich hin und winkte Hilfe herbei. Auch Ali Wukovits stürmte zu seinem Teamkollegen und besten Freund hin auf das Eis. Vielleicht auch, um sich ein wenig selbst zu beruhigen. "Er hatte die Augen geöffnet und stand offenbar unter Schock. In den ersten Momenten reagierte Patrik überhaupt nicht. Ich bin wirklich vom Schlimmsten ausgegangen, es war furchtbar", meinte der Caps-Stürmer.

Kittinger musste mit der Trage vom Eis gebracht werden. Eine Verletzung an der Wirbelsäule wurde befürchtet. "Die Situation hat grauslich ausgeschaut. Er hatte unglaubliches Glück und tausende Schutzengel." Von diesem Schock erholte sich er und die Mannschaft eigentlich den ganzen Abend nicht mehr, das Spiel war nebensächlich geworden. "Wir waren lange nach der Partie in der Kabine und haben geredet."

Vor allem den zweiten Abschnitt zu beenden, entpuppte sich als eine gewaltige psychische Belastung. 8:30 Minuten Spielzeit waren noch angezeigt und niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, wie es tatsächlich um Kittinger steht. In dieser Zeit halfen sich die Wiener gegenseitig. Nicht auf dem Eis, wo solche Dinge ausgeblendet werden, meint Wukovits. Sondern nach der Rückkehr auf die Spielerbank: "Ich war in diesem Moment irgendwie gefangen. Fabio Artner hat da ständig auf mich eingeredet. Ich war total perplex und mit den Gedanken ganz woanders. Wir mussten nur einen Weg finden, weiterzuspielen."

In der Drittelpause, als Kittinger ins Krankenhaus transportiert wurde, kam dann die vorsichtige Entwarnung seitens Wien-Geschäftsführer Franz Kalla gegenüber dem "Kurier": „Ich habe ihm selbst die Schuhe ausgezogen, er hat das gespürt. Und er konnte sich auch bewegen.“ In der Nacht folgten weitere Untersuchungen am Kopf und an der Wirbelsäule. Sicher war bereits am Abend, dass sich Kittinger einen Bruch an der Hand zugezogen hatte.  „Ich hatte in diesem Moment Angst“, sagte Caps-Coach Dave Cameron im Kurier-Interview. „Er hätte sich das Genick brechen können.“

Unter Schock stand jedoch auch Michael Kernberger, der dafür eine Spieldauerdisziplinarstrafe ausgefasst hatte. "Ich würde das gerne ungeschehen machen. Es tut mir brutal leid für Patrik Kittinger", sucht der Rotjacken-Akteur nach Worten. Unmittelbar nach dem Spiel habe er ihm bereits Nachrichten geschickt und sich beim Wiener entschuldigt.

Im Laufe des Nachmittags wurde das Urteil für das Vergehen ausgesprochen: Kernberger wird für sieben Spiele (EBEL und Alps-Hockey-League) gesperrt - das ist die zweitlängste Strafe der vergangenen fünf Jahre, nur Rafael Rotter musste 2015/16 einen Runde länger aussetzen. Zusätzlich muss der KAC-Verteidiger 700 Euro Strafe berappen.

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