Wand im Dortmunder Signal-Iduna-Park, gespenstisch menschenfrei, als benötigte der Terminus des "Geisterspiels" eine erweiterte Definition. Die fanlose Spielkultur hat dem Fußball, wie wir ihn kannten, buchstäblich den Rang abgelaufen. Und das Beispiel wird wohl Schule machen, so lange, bis der Planet ein Comeback des echten Alltags zulässt. Denn der Rest der noch abwartenden Welt richtet sich auf am deutschen Vorbild, um zumindest der nackten Funktionalität gerecht zu werden.

So ist er also zurückgekehrt, der Fußball, für die Masse Covid-19-bedingt nicht in plastischer Gestalt, aber immerhin in Form von bewegten Bildern. Doch kann diese Art der professionellen Sportausübung bewegen, durch die Anticoronamaßnahmen völlig freigespielt von Stimmung und atmosphärischen Strömungen? Prall gefüllt ist in diesem Kick der so seltsam topaktuellen neuen Normalität lediglich die Verbotsliste. Was ist alles nicht erlaubt? 

Aber wenigstens spielen dürfen sie, die Profis. Die deutsche Bundesliga hat sich nach 66 Tagen erzwungenen Stillstands auf diese ungewöhnliche Weise wieder eingeschlichen in die Abertausenden Haushalte und der im modernen TV-Zeitalter längst vertraute Begriff der Konferenz erhält nun eine besondere Daseinsberechtigung. Denn das Geschehen vermittelt Tagungs-charakter und die Sitzungsteilnehmer zeigen sich aufrichtig um artige Einhaltung der Bestimmungen bemüht. Ja, das Business ist zurück, aber nicht as usual.

Dabei hätte der Spieltag einiges zu bieten, etwa das Lokalduell zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04, einen wahrhaftigen Klassiker des deutschen Kicks. Die Borussen wären frei nach Westernhagen "zurück im Revier", doch das Gespenst ist der neue Platzhirsch, das Kälteklima dringt bis ins Wohnzimmer hinein. Aber die Dortmunder lassen auch ohne Rückenstärkung durch die eingangs genannte Wand Ball und Gegner laufen und einer tritt in Erscheinung, als wäre er gar nie weg gewesen.

Erling Haaland, wem sonst, bleibt es vorbehalten, für das erste Tor nach dem Stillstand zu sorgen. Der im Winter aus Salzburg gekommene norwegische Wunderknabe trifft für die Borussia zum zehnten Mal in seinem neunten Spiel, sorgt, wie es ein Sky-Kommentator treffend formuliert, für den ersten Geisterspielkonferenztorschrei der Geschichte und glänzt in weiterer Folge noch zweimal als Vorbereiter. Dortmund macht mit den Schalkern im 156. Revierderby in der "Geister"-Sonderausgabe beim 4:0 kurzen Prozess.

Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, bis sich die Teams mit der ungewohnten Umgebung vertraut machen, was unter Ausblendung aller sonstigen Kriterien zumindest die Matchqualität auf ein beachtliches Niveau hebt. Fredi Bobic, der Sportchef von Eintracht Frankfurt, spricht im Sky-Interview sogar von "fantastischen Spielen", die er via Konferenz verfolgen konnte, weil sein Team erst später gegen Gladbach an der Reihe war.

Die Begleitmusik jedoch ist mehr als nur gewöhnungsbedürftig. Die Rufe der Beteiligten schallen durch die Arenen, aber sie überlagern einander und werden auf diese Weise großteils bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Die Worte sind für Außensitzende nicht zu verstehen, das gilt auch für die wenigen in den Stadien Anwesenden. Auf dem Platz gibt es keine Berührungsängste, Zweikämpfe werden geführt. Doch bisweilen fährt dem Beobachter der Schreck in die Glieder, wenn der Ball, verstärkt durch die Mikrofone, so laut gegen einen Körper kracht, dass man sich wundert, dass der am Kopf Getroffene nicht sofort bewusstlos zu Boden geht.

Dann, kurze Aufregung. In Sinsheim rücken die Spieler von Hertha BSC Berlin nach dem dritten Treffer gegen Hoffenheim zwecks Torjubel einander bedrohlich nahe, es gibt sogar intensiveren Körperkontakt. Fürchtet euch nicht, zum Fürchten ist ohnehin die neue Variante des Fußballs. Es überwiegt nämlich die "hygienisch virologisch unbedenkliche" (ein Sky-Sprecher) Verhaltensweise. Gott sei Dank?