Dieses schnelle Auf-den-Punkt-Kommen. Die Stimme. Das einfach Erklär-Weltmeisterliche. Das Kapperl sowieso. Für einen Finanzhai war es sogar kurz einmal blau, wir verzeihen es. Ist er halbwegs der Alte, wenn er hoffentlich bald wieder mit dem roten auftaucht? Oder ist er am kommenden Freitag sogar einer, der den Rollator wegschmeißt und mit dem Wolff tanzt? Kleine Party unter alten Freunden, obwohl er immer kokett behauptet, er habe keine.

Niki Lauda wird 70. Und hätte es den wilden Kerl im vergangenen Sommer nicht so hart erwischt, klarerweise hätte er uns eine knappe Wortspende zum runden Geburtstag zugeworfen. Die zum 60er ist überliefert: „Mein Geburtstag ist mir wurscht.“ Die zum 65er auch: „Noch wurschter.“ Und jetzt: Am wurschtesten? Aber der Welt nicht!
Sein turbulenter Lebenskurs mit extremen Höhen und Tiefen ist einzigartig, lässt keinen kalt. „Dabei war ich ein Seicherl“, erzählt Niki Lauda über seine Kindheit mit verpatzter Schule in einer stinkreichen Industriellenfamilie. Dem despotischen Großvater, der ihm nichts zutraute, seine Auto-Ambitionen im Keim ersticken wollte, ist er heute dankbar. Der „Ich-scheiß-mich-nix-Turbo“, der sprang an, als der einst adelige Patriarch seinem Enkel den ersten Kredit versaubeutelte.

Das war die Startflagge für all das, was Lauda erlebtes Selbstvertrauen nennt. Füße am Boden, Wege finden, intelligent Pedal durchtreten, schnell schalten. Danach Show und Spaß. Nur nicht fad. Das Interesse an ihm ist enorm. Bücher, Filme, unzählige Interviews. Die Journalisten lieben ihn. Glasklar, knapp und schnörkellos schenkt er ein. Seine trockenen Anekdoten sind eine Hetz.

Der Weltmeister des Comebacks

Aber jetzt lässt der Weltmeister des Comebacks in der jüngsten Haarnadelkurve seiner Biografie erstmalig keinen Blick auf seine Verletzlichkeit zu. Die Reha zieht sich schon über Monate. Lauda rackert sich in kleinen Schritten ab. „Man kann nur eines tun: kämpfen. Ich habe es jeden Augenblick getan und tue es noch“, sagt er kurz vor Weihnachten. Die Lungentransplantation im Sommer fordert ihren Tribut, ein paar Tage später muss er wieder ins Spital. Nur Sohn Mathias berichtet Ende Jänner kurz, der Vater trainiere sehr ambitioniert in der Physiotherapie.

Durch und durch pragmatisch ist Lauda. Was geht – diese Frage ist seine persönliche Formel Nummer eins. So landete er in den 1970ern bei der Fliegerei: Einfach um sich stundenlange Autofahrten nach Monza zu ersparen. Dann tatsächlich gleich dreimal eine Airline gründen und sie wieder verkaufen, da ist die Luft für andere sehr dünn. Der Tiefpunkt dann im Mai 1991: 223 Menschen sterben in Thailand beim Absturz der „Mozart“, einer neuen Boeing der Lauda Air. Die Bilder, wie sich Lauda langsam und mit versteinertem Gesicht durch das Trümmerfeld bewegt, sie brennen sich so tief ins Gedächtnis wie jene vom Feuerunfall am Nürburgring.

Credo des Siegens

Wie extrem faktenbasiert Niki Lauda selbst im emotionalen Ausnahmezustand tickt, sich so ein Stück selbst retten kann, das zeigt sich damals besonders. „Wenn wir daran nur irgendwie schuld gewesen wären, ich hätte sofort aufgehört“, versichert Lauda noch einmal vor einem Jahr, als er gerade den Coup landet, die von ihm gegründete Niki aus der Insolvenz zurückzukaufen. Die Folgen des Unfalls am Nürburgring gehen ihm aber immer wieder an die Nieren. 1997 spendet Bruder Florian eine, 2005 seine neue Liebe Birgit Wetzinger. Da ist sie erst ein paar Monate mit ihm zusammen und fackelt trotzdem nicht lange. Es sind ganz neue Kapitel, die die fast 30 Jahre jüngere Wienerin seitdem im Leben des Selfmade-Millionärs aufschlägt. Mit ihr engagiert er sich sozial, aber ohne Rummel. Gibt es so etwas wie Wiederholungsschleifen, dann ist der alte Vater Lauda wohl die bessere Partie für seine jetzt neunjährigen Zwillinge Max und Mia, als er es für die Söhne Lukas und Mathias aus erster Ehe mit Marlene war. Heute sind alle eng miteinander und stützen den hart auf sich selbst Zurückgeworfenen. Es kommt sein Satz in den Sinn: „Jeder arbeitet für sich selbst.“ Credo des Siegens. Und Ansage gegen Neid und Missgunst.

Das Vermögen des Unternehmers und Ex-Rennfahrers wird auf mehr als 200 Millionen Euro geschätzt. Ist das keine Fantasiezahl, hätte er dieses Geld für die Niki-Nachfolgegesellschaft Laudamotion schnell einmal verbrennen können. Aber so verrennt sich der kühle Rechner nicht. Wie ein Kind freut er sich, als er im März 2018 Michael O’Leary, den Erfinder der Billigairline Ryanair, als Partner unterm Kapperl hervorzaubert. Ein paar Wochen später soll Lauda einen leichten Herzinfarkt erlitten haben. Die Nachricht von der lebensrettenden Lungentransplantation im August geht um die Welt.

„Mann ohne Gesicht“, hatte Bild 1976 pietätlos getitelt. Ein Komplett-Irrtum: Niki Lauda ist Österreichs bekanntestes Gesicht.