Die U-Bahn-Gesellschaft teilte mit, dass der Betrieb auf vier Linien wegen einer Reihe absichtlicher Türverstopfungen teilweise eingestellt worden sei. Auf den Straßen bildeten sich lange Staus, Pendler kamen nicht zur Arbeit. Am Flughafen der Stadt mussten mehr als 200 Flüge gestrichen werden, da sich zahlreiche Mitarbeiter für den Streik krankgemeldet hatten. 82 Menschen wurden bereits festgenommen. Die Polizei setzte wieder Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen. Am Wochenende hatten Protestierer Polizeistationen belagert, Wände mit Losungen besprüht und Schaufenster eingeworfen. Seit dem 9. Juni sind nach Polizeiangaben 420 Menschen in Gewahrsam genommen worden. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor.

Mittlerweile kam es während des Protests auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen einem Schlägertrupp und Demonstranten. Wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" berichtete, griffen die teils mit weißen T-Shirts bekleideten Männer am Abend im Stadtteil North Point Demonstranten auf der Straße mit langen Holzstangen an. Daraufhin warfen die Demonstranten Leitkegel, Metallbarrikaden und eigene Stangen auf die Angreifer. Kurz darauf umstellten Protestler eine Wohnung, in der sie die Schläger vermuteten.

Bereits vor zwei Wochen waren Regierungskritiker am Rande von Protesten von Schlägern in weißen T-Shirts mit Eisenstangen und Stöcken angegriffen worden. Es wurde vermutet, dass der Regierung in Peking wohlgesonnene Banden hinter den Angriffen steckten. 44 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt.

Lam wandte sich zum ersten Mal seit zwei Wochen an die Öffentlichkeit und warnte, die Proteste seien eine Herausforderung für die Souveränität Chinas und würden eine "extrem gefährliche Situation" heraufbeschwören. Lam, die von der Regierung in Peking unterstützt wird, erklärte mit versteinertem Gesicht, die Demonstranten wollten eine Revolution. Damit werde die Vereinbarung "ein Land, zwei Systeme" infrage gestellt. Ihre Regierung werde entschlossen Recht und Ordnung durchsetzen.

Beobachter sehen in den Protesten die schwerste politische Krise Hongkongs seit der Rückgabe an China vor 22 Jahren. Auch in der neunten Woche der Proteste gibt es keine Anzeichen, dass sich die Bewegung abschwächt. Die Zentralregierung in Peking hat die Ausschreitungen mehrfach scharf verurteilt und die Regierung und die Polizei vor Ort aufgefordert, wieder Ordnung herzustellen.

In der Finanzmetropole gibt es seit fast zwei Monaten Kundgebungen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Hongkongs Regierungschefin Lam hat das Gesetz zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China, das den Anlass für die Proteste gegeben hatte, mittlerweile zwar für "tot" erklärt, vollkommen verzichtet wird darauf aber nicht. Die Proteste haben sich mittlerweile zu einer breiteren Bewegung gegen die Regierung und das harte Vorgehen der Polizei entwickelt. Viele Menschen befürchten zudem einen zunehmenden Einfluss Pekings und fordern demokratische Reformen.

Erneut erklärte Lam am Mittwoch, dass sie und die Regierung Fehler im Zusammenhang mit dem Gesetz gemacht hätten. "Ich übernehme die Verantwortung für das, was wir gemacht haben, weil ich die Regierungschefin bin." Einen Rücktritt, der von Demonstranten seit Wochen gefordert wird, lehnte Lam aber ab. Sie denke derzeit nicht, dass ihr Rücktritt für eine bessere Lösung sorgen würde, sagte Lam.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.