Erfunden hat weder diese Bundesregierung noch das System-Kurz das Inserieren, das einem natürlichen Kommunikationsbedürfnis entspringt. Ebenfalls nicht neu ist die korruptive Verstrickung der Politik mit einzelnen Medienherausgebern. Letztere sind im Boulevard zu Hause, dort wo die Verschränkung aus redaktionellen- und Marketinginhalten traditionell fließender sind und dort – Stichwort Gratiszeitungen –, wo die Abhängigkeit von der Politik ungleich größer ist, als bei verkaufsbasierten Tageszeitungen mit hohem Aboanteil. Bis zu 40 Prozent der Jahresumsätze machen öffentliche Inserate bei Gratisblättern aus, erhob das Medienhaus Wien.

Dessen Studie konstatierte eine Schieflage, die während der Pandemie durch umfassende Kampagnen noch größer wurde. Der an strenge Voraussetzungen geknüpften Presseförderung für Tageszeitungen, die neun Millionen Euro ausmacht, steht eine intransparente Inseratenvergabe gegenüber: Allein die Bundesregierung investierte im Vorjahr 33,5 Millionen Euro in Zeitungsinserate. Mehr als Hälfte, 57 Prozent, gingen an die Gratiszeitungen „Heute“, „oe24“ sowie die Kaufzeitung „Krone“. Beim Kanzleramt waren es 52,4 Prozent. Ein Blick über die Grenze zeigt die Größenordnung dieser Summe: Im zehnmal größeren Deutschland gab die Regierung im gleichen Zeitraum 150 Millionen Euro aus.

Fellner-Netzwerk größter Profiteur

Größter Profiteur ist just das Mediennetzwerk Wolfgang Fellners, das in den aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Drehscheibe der Aufmerksamkeit wird. Kein anderes Medium erhielt pro Leser und Leserin mehr Inseratengeld: 8,22 Euro waren es 2020 bei „Österreich“ bzw. „oe24“. Zum Vergleich, ein „Standard“-Leser war der Regierung bloß 2,43 Euro, ein Leser der Kleinen Zeitung 3,57 Euro wert.
Die Studie dokumentiert eine Schieflage, ausgelöst durch den großen Druck des Wiener Boulevards auf die mediale Landschaft: In den östlichen Bundesländern ist ein Leser 7,96 Euro wert, im Süden (Kärnten, Steiermark) nur 5,47 Euro, die restlichen Bundesländer liegen dazwischen.

Maßgeblichen Anteil an dieser Schieflage hat das System Fellner, dessen Methoden Reinhold Mitterlehner 2009, damals noch Wirtschaftsminister, in einem seiner ersten Gespräche mit Fellner kennenlernte: „Herr Mitterlehner, wir haben über Sie weder besonders positiv noch negativ geschrieben. Das könnte sich jetzt gravierend ändern.“ Drohungen verteilte der oe24-Medienmacher äquidistant: Christian Kern behauptet, als Bundeskanzler vom Boulevard erpresst worden zu sein. Als er nicht nachgab, sei er mit „Meuchelfotos“ und Negativberichterstattung attackiert worden. Als Karin Kneissl als FPÖ-Außenministerin den Etat für Fellner-Inserate verringerte, fühlte sie sich an Mafiamethoden erinnert: „Ich habe gesagt, ich zahle keine Schutzgelder.“ Wenig später wurde sie von dem Medium als „schräg, wirr, teilweise ahnungslos“ beschrieben.

Die andere Seite der Medaille hat im Juni Horst Pirker, Mehrheitseigentümer der VGN-Gruppe („News“) thematisiert. Als Reaktion auf einen regierungskritischen Artikel habe das Finanzministerium „einen totalen Inseratenstopp“ angedroht.

Zu den Politikern, die meinten, sich Beifall – oder wie im aktuellen Fall Umfragen – aus den Medien erkaufen zu können, wird auch der frühere Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) gezählt. Ab 2011 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den späteren Bundeskanzler, weil staatliche Betriebe in seinem Auftrag in ausgewählten Medien inseriert haben sollen. „Faymann hat das damals in eine neue Dimension gebracht, von der Intensität und der Menge her, aber unter Sebastian Kurz ist das noch einmal um eine x-fache Potenz verstärkt worden“, beschrieb Horst Pirker gegenüber Ö 1 eine neue Eskalationsstufe einer Politik durch Inserate.

Die Schwachstelle