Er kennt alle Facetten des Lebens, der Arzt und Psychotherapeut Victor Chu, der seit Jahrzehnten in seiner Praxis in der Nähe von Heidelberg Paaren, die in Schwierigkeiten geraten sind, zur Seite steht, ihnen hilft, wieder Vertrauen zu fassen oder aber mit Anstand neue Wege zu gehen. Im Buch „Denn alles Glück will Ewigkeit“ beschreibt Chu den Weg der Liebe und Treue zum Verrat und Möglichkeiten, wie Partner verzeihen können.

Was ist überhaupt Liebe und warum kann echte Liebe hilflos machen, wie Chu betont? „Wenn ich liebe, gebe ich mich der geliebten Person hin. Ich liefere mich ihr aus. Ich gebe ihr Macht über mich. Sie kann mich mit ihrer Liebe unendlich beglücken, hat aber auch die Macht, mich zutiefst zu enttäuschen, zu kränken und zurückzuweisen“, fasst Chu zusammen. Das treffe, sagt er, auch auf eine Mutter zu, deren Kind ihre Liebe und Fürsorge zurückweise und die dann versuche, den Willen des Kindes zu brechen. „Salome konnte nicht ertragen, dass Johannes der Täufer sie nicht erhörte und ließ ihn daher köpfen. Nach dem Motto: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“

Grenzen respektieren

Vergessen werde dabei immer, sagt Chu, dass man zwar einen Körper zerstören könne, aber damit nicht den Willen und die Liebe bekommen könne. Da liege die Grenze jeder Macht.

Wesentlich in einer Beziehung ist für den Psychotherapeuten, dass jene Grenze respektiert werde, „wo ich aufhöre und wo der andere beginnt, es geht darum, seinen Willen, seine Zuneigung und Abneigung zu respektieren“. Selbst wenn ein Partner versuche, den anderen umzustimmen, zu beeinflussen, auch zu manipulieren, wenn er etwas erreichen wolle, werde irgendwann jene Grenze erreicht, wo das, „was ich bin, und das, was er ist, zusammenstoßen“.

"Ich bin ihm in meiner Liebe ausgeliefert"

Als „Kunst“ bezeichnet der Beziehungsexperte in „Denn alles Glück will Ewigkeit“, diese Grenze zu erkennen und zu respektieren. Das sei für jeden auch eine Lektion in Demut. „Echte Liebe“, schreibt Chu, „macht halt an der Grenze zwischen dem Ich und dem Du. Sie leidet an der Nicht-Übereinstimmung zwischen dem Ich und dem Du, aber sie respektiert sie. Wenn ich liebe, zeige ich dem anderen, dass ich ihn liebe. Das ist schon sehr viel, und das genügt. Was er damit anfängt, ist seine Sache, es liegt in seiner Verantwortung und seiner Macht. Darin hat er Macht über mich. Ich bin ihm in meiner Liebe ausgeliefert.“

Wesentlich für Paare ist es aber, vor allem auch zu lernen, mit den unterschiedlichsten Seiten des anderen umzugehen. Immerhin lernt man den Partner erst mit fortschreitender Beziehung wirklich kennen. „Wir erkennen einen Menschen erst wirklich, wenn wir ihn nicht nur so sehen, wie er ist, sondern wie er sein kann - in seinen besten Momenten, aber auch in seinen düstersten Seiten. Einen anderen zu lieben birgt das intuitive Wissen, dass in dem geliebten Menschen - wie in jedem von uns - sowohl ein gütiger Dr. Jekyll als auch ein bösartiger Mr. Hyde stecken kann, und es braucht die Bereitschaft, uns mit beiden Seiten dieses Menschen zu konfrontieren.“

Verrat

Beziehungen vergleicht Chu gerne mit einem Muskel. Und er warnt Paare davor, sich bei Problemen wie bei Verrat durch einen Seitensprung in ein Schneckenhaus zu verkriechen. „Eine Beziehung wird umso stärker und belastungsfähiger, je mehr sie beansprucht wird", glaubt er, dass auch eine andere Beziehung des Partners bewältigt werden kann. Wobei er den ersten Verrat anderswo ortet. Wenn die Kommunikation zwischen den Partnern nicht mehr gelingt, sei dies der Beginn des Verrats an der Beziehung: „Mit der Unterbrechung der Kommunikation schneiden sich die Partner den Lebensdraht ihrer Beziehung ab. Da hält der eine den Mund, auch wenn er anderer Meinung ist. Die Partner schweigen ihre Differenzen einfach tot. Dieses Totschweigen ist der erste Verrat an der Beziehung.“

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Denn alles Glück will Ewigkeit. Fallstricke der Liebe oder: Warum wir Liebe verraten. Victor Chu, Sonderedition, 184 Seiten, 12,90 Euro, in allen Büros der Kleinen Zeitung, telefonisch unter 0800 556640526 online: shop.kleinezeitung.at