Nach den Ausschreitungen beim EM-Spiel England gegen Russland (1:1) hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) ein Verfahren gegen den russischen Verband eröffnet. Bei der Partie in Marseille am Samstagabend waren russische Zuschauer auf in benachbarten Blöcken sitzende englische Fans losgestürmt und hatten diese attackiert.

Die Disziplinarkommission der UEFA will am Dienstag ein Urteil verkünden, wie der Kontinentalverband am Sonntag mitteilte. Ermittelt wird gegen Russland auch wegen angeblich rassistischen Verhaltens und des Zündens von Feuerwerkskörpern im Stadion. Russlands Verband rechnet mit einer hohen Geldstrafe.

Wogegen wird ermittelt?

Die UEFA-Disziplinarkommission unter dem Kärntner Vorsitzenden Thomas Partl ermittelt nach den Ausschreitungen in Marseille beim Fußball-EM-Spiel England - Russland (1:1) auf Grundlage der sogenannten Rechtspflegeordnung der Europäischen Fußball-Union (UEFA).

Darin heißt es in Punkt 2 von Artikel 16 "Ordnung und Sicherheit bei UEFA-Wettbewerbsspielen":

"Alle Mitgliedsverbände und Vereine sind zudem für folgende Fälle von unangemessenem Verhalten seitens ihrer Anhänger haftbar und können auch dann mit Disziplinarmaßnahmen belegt und zur Befolgung von Weisungen verpflichtet werden, wenn sie nachweisen können, dass bei der Organisation des Spiels keine Fahrlässigkeit vorlag:

  • a. Eindringen oder versuchtes Eindringen auf das Spielfeld;
  • b. Werfen von Gegenständen;
  • c. Abbrennen von Feuerwerkskörpern oder anderen Objekten;
  • d. Verwendung von Laserpointern oder ähnlichen elektronischen Geräten;
  • e. Verbreitung sportfremder Botschaften aller Art, insbesondere solcher politischen, ideologischen, religiösen, beleidigenden oder provokativen Inhalts, durch Geste, Bild, Wort oder andere Mittel;
  • f. Sachbeschädigungen;
  • g. Störung während der Nationalhymnen;
  • h. allen anderen Verstößen gegen Ordnung und allen anderen Verstößen gegen Ordnung und Disziplin, die im und um das Stadion beobachtet werden.

Besonders Punkt h. ist relevant, da dies bedeutet, dass auch das Verhalten der Fans außerhalb der EM-Stadien, also zum Beispiel in der Innenstadt von Marseille geahndet werden kann.

Beim Strafmaß hat die Disziplinarkommission vielfältige Möglichkeiten. Artikel 6 "Disziplinarmaßnahmen" reicht von einer Ermahnung bis zum Ausschluss aus einem Wettbewerb.

Schwere Ausschreitungen gibt es immer wieder

Auch bei früheren WM- und EM-Endrunden kam es immer wieder zu Ausschreitungen und Krawallen gewaltbereiter Fans. In einigen Fällen wurden Personen lebensgefährlich verletzt. Aus diesem Grunde wurde sogar auch schon ein Turnierausschluss betreffender Teams diskutiert.

WM 1998: Vor dem Gruppenspiel zwischen Deutschland und Jugoslawien kommt es im nordfranzösischen Lens zu ersten Auseinandersetzungen deutscher Hooligans mit der französischen Polizei. Nach der Partie wird der Gendarm David Nivel von einem halben Dutzend deutscher Schläger angegriffen und brutal zusammengeschlagen. Nivel liegt sechs Wochen im Koma und leidet heute noch an den Folgen. In Marseille liefern sich englische Fans zwei Tage lang Massenschlägereien mit Einheimischen und Anhängern aus Tunesien. Es gibt viele Verletzte und Festnahmen.

EM 2000: Bei dem Turnier in Belgien und den Niederlanden kommt es bereits früh zu Ausschreitungen. Schon bei der Ankunft englischer Fans in Brüssel gibt es Krawalle und fast 400 Festnahmen. Vor dem Gruppenspiel England gegen Deutschland wird es auch in Charleroi hitzig: Fans beider Lager prügeln aufeinander ein, es fliegen Plastikstühle und Bierbecher - die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Negativer Höhepunkt: In der Nacht vor dem Spiel wird ein britischer Fan mit einem Messer niedergestochen und schwer verletzt.

EM 2004: Auch in Portugal stehen die Engländer im Mittelpunkt von Ausschreitungen. Im Ferienort Albufeira an der Algarve liefern sie sich zwei Tage nach Englands Vorrundenniederlage gegen Frankreich Straßenschlachten mit der Polizei. Mehrere Briten werden festgenommen. Wegen der erneuten Randale droht den Engländern zwischenzeitlich sogar der Ausschluss aus dem Turnier.

EM 2012: Rund um das brisante Vorrundenspiel zwischen Co-Gastgeber Polen und Russland kommt es in der Warschauer Innenstadt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hooligans aus beiden Ländern. Bei den Straßenschlachten werden auch Polizisten attackiert. Mehr als 5.000 Sicherheitskräfte werden aufgeboten. Es gibt etliche Verletzte und zunächst fast 200 Festnahmen - vor allem polnischer Schläger, die auch mit rechtsradikalen Parolen für Aufsehen sorgen.