Am ersten Tag erfährt man sofort Exklusives: "Gastro-Öffnung mit Test ist fix" schreibt das neue Online-Medium "Zur Sache", das sich bei der Meldung auf einen Regierungsinsider bezieht. Eine wesentliche Information bleibt der Artikel aber schuldig: Einen Zeitpunkt nämlich, wann Wirte wieder öffnen können. Die eher unbefriedigende Antwort des Textes: "Früher oder später".

Beste Kontakte zu "Regierungsinsidern" nimmt man "Zur Sache" jedenfalls ab, denn die Website wird vom ÖVP-Parlamentsklub betrieben. Mit einigen Jahren Verspätung hat nun auch die ÖVP ein eigenes Online-Medium. Am Mittwoch ging die Website online. Neben den vagen Plänen zur Gastronomie erfährt man auch, dass "Österreich am Weg zum Testweltmeister" ist, dass der "Anstand über Bord geworfen" wurde, seit "Herbert Kickl die Macht in der FPÖ an sich gerissen hat" oder dass Hannes Androsch als "Experte für eh alles" "verzichtbar" ist.

"Zur Sache" wird in einem Büro im Palais Epstein neben dem Wiener Parlament produziert. Chefredakteur Claus Reitan leitet ein dreiköpfiges Team. "Der Blog wendet sich an die allgemein politisch interessierte Öffentlichkeit", sagt er: "So wie sich die Demokratie weiter entwickelt, ist es auch geboten, das Informationsangebot weiter zu entwickeln." 

Die neuen Parteimedien

Andere Parteien waren dabei schneller: Der SPÖ-Parlamentsklubgründete schon vor fünf Jahren "Kontrast". Die FPÖ betreibt einen sehr erfolgreichen Youtube-Kanal mit täglichen Sendungen und ist finanziell und personell verflochten mit den Websiten "Unzensuriert" und "Wochenblick". Und Peter Pilz nutzte das Budget, das seiner "Liste Jetzt" für eine Parteiakademie zustand, um "ZackZack" zu gründen. Die dazugehörige Partei gibt es nicht mehr, die Website allerdings schon.

In ihrer Bauart sind sich die Parteimedien ähnlich, inhaltlich unterscheiden sie aber naturgemäß stark voneinander. Der FPÖ-nahe Wochenblick berichtet von "Zwangstests an Schulen" und insinuiert, dass Prinz Philipp womöglich deshalb im Spital liegt, weil er Nebenwirkungen einer Corona-Impfung leidet. Auf der SPÖ-Seite "Kontrast.at" wiederum erfährt man, dass die türkis-grüne Regierung "bei der Therapie von Kindern spart". Außerdem wird vorgerechnet, dass die "Aktion 40.000" der SPÖ "kaum mehr kosten würde, als die PR-Ausgaben der Regierung." (Tatsächlich wird die Differenz mit 30 Millionen Euro berechnet.)

Keine Reichweitenkönige

Laut dem Digital News Report nutzen im Jahr 2020 rund 4 Prozent der Österreicher "Kontrast" um sich zu informieren. Bei Unzensuriert waren es ebenso viele, oder besser gesagt: wenige. „Parteiliche Online-Medien sind eine Nische und werden das auch bleiben“, sagt der Salzburger Kommunikationswissenschafter Josef Trappel. „Der Großteil der Menschen will Vielfalt verstehen und ist zufrieden mit generalistischen Medien, die viele Blickwinkel abdecken. Aber die wenigen, die das nicht wollen, schreien gerade sehr laut.“ 

Parteimedien haben in Österreich eine lange Tradition, doch bis vor ein paar Jahren galten sie als weitgehend ausgestorben. „Mit den digitalen Plattformen wie Facebook und Twitter ist es ein Stück weit zurückgekommen", so Trappel: "Wer lieber bleibt, wo er sich auskennt, wem eine Sichtweise genügt, der findet dort Zuspruch.“ 

Warum die ÖVP, die mit starken Social Media-Accounts und einem eigenen Online-Magazin rund um Sebastian Kurz ausgerechnet jetzt ein neues Medium gründet, beantwortet man im Parlamentsklub so: "Das letzte Jahr hat gezeigt, dass das Parlament immer wichtiger: Es gab viel mehr Sitzungen als in anderen Jahren." Das parlamentarische Geschehen wolle man nun gesondert kommunizieren. Man hätte schon länger an einem Konzept gefeilt, jetzt sei man so weit.

Bei den Erwartungen ist der Kommunikationswissenschafter aber gedämpft: „Online-Medien von Parteien beeinflussen den öffentlichen Diskurs nicht besonders stark, weil sie keine Massenwirkung erzeugen", so Trappel: "Das wird auch der ÖVP-Blog nicht ändern."