Über Jahre hinweg war er ihm ein verlässlicher Getreuer: Mike Pence diente Donald Trump als Vize-Präsident und bügelte so manche Unebenheit aus. Und doch kam am Ende der Bruch: Als sich Mike Pence weigerte, Donald Trumps unwahre Geschichte umzusetzen, Trump habe die Wahl gewonnen, wurde er für Trump zum Verräter.

Wie gefährlich die Lage für Pence damit geworden war, wurde am Mittwoch beim Impeachment-Verfahren im Senat einmal mehr deutlich. Die Demokraten belegten mit Video-Material, das aus den Überwachungskameras des Kongresses stammte, zum Teil auch mit Handy-Video, die die Erstürmer selbst aufgenommen und veröffentlicht hatten, wie Trump seine Anhänger gegen Pence aufwiegelte und diese schließlich Jagd auf ihn machten.

Noch eineinhalb Stunden, nachdem die Erstürmung begonnen hatte und während seine Anhänger das Kapitol durchforsteten, twitterte Trump, Pence habe "nicht den Mut gehabt" zu tun, was er nach Ansicht Trumps hätte tun sollen - mit dem Nachsatz: "The USA demand the truth" - "Die USA verlangen nach der Wahrheit".

Und das Video zeigt, dass seine Anhänger in dem Gebäude durchaus die Botschaften Trumps auf Twitter verfolgten und umsetzten: Zu sehen ist beispielsweise, wie einer der Erstürmer Trumps Aufwiegelung gegen Pence  per Megaphon an die Menge im Gebäude weitergab. Und offenbar machte sich diese auch auf die Suche nach vermeintlich "untreuen" Republikanern. Sie kamen diesen auch sehr nahe: Zu sehen ist auf dem Video dann auch, wie Pence und Mitglieder seiner Familie, der republikanische Abgeordnete Mitt Romney und andere vor den Eindringlingen fliehen. Ein Mitarbeiter von Pence soll US-Medienberichten zufolge dabei auch den "nuclear football", den Atomkoffer, mit sich getragen und in Sicherheit gebracht haben.

Im Video sieht und hört man Leute, die durch die Gänge des Kapitols ziehen, ganz offensichtlich auf der Suche nach Kongressmitgliedern und dem Vizepräsidenten, über den sie rufen: "Hängt Mike Pence!" Ein Mann fragt immer wieder: "Nancy, wo bist du?" Hier hatten sie es offenbar auf die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses abgesehen, deren Büro sie dann auch stürmten.

"Wir wissen von den Teilnehmern des Mobs, dass sie Nancy Pelosi umgebracht hätten, wenn sie sie gefunden hätten", sagte die Demokratin Stacey Plaskett. Sie berief sich dabei auf Anklageschriften gegen die Randalierer. Pelosi konnte vorher in Sicherheit gebracht werden.

Die Ankläger beschuldigten Trump, er habe schon lange vor der Präsidentschaftswahl im November damit begonnen, Misstrauen zu säen und seine Anhänger aufzustacheln. Sie legten dar, wie Trump über Monate die Argumentation aufbaute, er könne die Wahl nur unter einer Voraussetzung verlieren: wenn es zu großangelegtem Betrug komme. Nach der Wahl habe Trump einen Feldzug gegen seine Niederlage gestartet, der schließlich im Gewaltausbruch am Kapitol gegipfelt sei.

Trump hat zugeschaut

Der leitende Ankläger Jamie Raskin erklärte vor dem Senat, Trump habe seine Anhänger gezielt zu den Protesten geschickt, bereits im Voraus zu Gewalt ermutigt und die Menge am Tag der Attacke „in Raserei versetzt“. Die Erstürmung habe der damalige Präsident mit Enthusiasmus verfolgt. „Er hat es sich im Fernsehen angeschaut wie eine Reality-Show,“ so Raskin. Ein weiterer Ankläger, der Abgeordnete Joaquin Castro, sagte, Trump habe alle Menschen im Kapitol schlicht „dem Tod überlassen“.

Dass im Senat die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, um Trump am Ende des Verfahrens wegen "Anstiftung zum Aufruhr" zu verurteilen, gilt weiterhin als unwahrscheinlich, weil auch 17 Republikaner dafür stimmen müssten. Dennoch zeigt sich, dass die Aufarbeitung der Erstürmung Fakten zutage bringt, die längerfristig und für die historische Beurteilung der Ereignisse vom 6. Jänner wichtig bleiben werden.