Man könnte meinen, es sei alles so wie immer: Am Mittwoch hat Donald Trump, mittlerweile abgewählter Präsident der USA, den traditionellen Thanksgiving-Truthahn begnadigt. Am Donnerstag gingen die Familienfeiern los:  Thanksgiving - ursprünglich das "Erntedankfest" - ist ein staatlicher Feiertag und  für Amerikaner fast so wichtig wie Weihnachten. Gefeiert wird es am vierten Donnerstag im November und nach Möglichkeit noch einige Zeit darüber hinaus ausgedehnt. Millionen Amerikaner kommen da normalerweise mit ihren Lieben zusammen - oft mehrere Generationen; gern lädt man auch noch Freunde und Nachbarn ein. Es gibt Festtagsparaden, dazu eine Konsumschlacht am Black Friday.

Feiern in der Pandemie?

Doch was ist mit Thanksgiving in Zeiten der Pandemie? Die Frage, wie man es jetzt verbringen soll, ist hoch emotionalisiert. Die Corona-Zahlen in den USA steigen wieder stark an, mehr als 12,5 Millionen Menschen sind bereits infiziert, mehr als eine Viertelmillion Menschen ist bisher an den Folgen des Coronavirus gestorben. Das Center for Disease Control hat aus diesem Grund nun alle Bürger dazu aufgerufen, Reisen zu Thanksgiving zu vermeiden. Ein Kulturbruch: Der Black Friday mag sich leicht ins Internet verlegen lassen, doch Akzeptanz, zu Hause zu bleiben, gibt es wenig. Die Statistik zeigt, dass am Wochenende vor dem Fest mehr als zwei Millionen Menschen im Land einen Flug in Anspruch nahmen. Das ist zwar deutlich weniger als in früheren Jahren, doch in einer Pandemie immer noch viel: Jetzt fürchten fühle, dass Thanksgiving zum Super-Spreader-Ereignis werden könnte und die Zahlen massiv in die Höhe treibt.

Von Donald Trump kommt in diesen Tagen nicht viel. Seit mehr als fünf Monaten hat er nicht mehr an der Corona-Taskforce teilgenommen  - man stelle sich vor, Sebastian Kurz oder Angela Merkel würden sich derart aus der Pandemie-Bekämpfung verabschieden und sich statt dessen auf den Golfplatz begeben. Die USA können sich auf keine nationale Strategie einigen, weil sie sich auf keine gemeinsame Realität einigen: Trump spielt die Gefahren des Virus weiter herunter; die Bundesstaaten fahren jeweils ihre eigene Strategie: die demokratisch regierten verhängen mehr Maßnahmen, die republikanischen weniger.

Joe Biden übernimmt erst am 20. Jänner sein Amt - er hat versprochen, die Pandemie zu bekämpfen, doch im Moment hat er keine Regierungsmacht: Einstweilen steigen die Infektions- und die Todeszahlen, ohne dass es eine kohärente Strategie gegen Corona gäbe.

Kein Truthahn

Zugleich blockieren sich Demokraten und Republikaner im Kongress, wenn es darum geht, das zweite Corona-Hilfspaket auf Schiene zu bringen. 11 Millionen Menschen waren im Oktober in den USA arbeitslos. Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass die soziale Absicherung so schwach ist, dass viele Menschen sich mittlerweile nicht mehr genug Lebensmittel leisten können. Von Truthahn zum Fest ist da keine Rede.