Dass Donald Trumps Zeit als 45. US-Präsident in der Auslaufzone angekommen ist – ein Indiz darauf lieferte in den letzten Tagen auch sein Twitter-Konto: 88 Millionen User folgen Trumps Ausführungen in dem nicht zuletzt auch mit seinen über 58.000 Einträgen gepeisten Kurznachrichtendienst.

Allein: Sein Profil sieht mittlerweile wie eine Sammlung von Warnhinweisen aus – was in weiterer Folge die Möglichkeit der Weiterverbreitung der Tweets einschränkte. Noch während der Auszählung der Stimmen machte Trump – in keiner Form belegte – Behauptungen von Wahlbetrug und deklarierte außerdem gleich seinen eigenen Sieg.

Fast ebenso schnell griff Twitter durch und stellte unter seine meist in Großbuchstaben und offenbar höchsten Verärgerungszuständen verfassten Tweets die alarmierende Fußnote: "Einige oder alle der Inhalte, die in diesem Tweet geteilt werden, sind umstritten und möglicherweise irreführend in Bezug auf die Beteiligung an einer Wahl oder einem anderen staatsbürgerlichen Prozess". Soziale Netzwerke hatten schon vor der Wahl klar gemacht, einzuschreiten, sollte einer der Kandidaten dort verfrüht seinen eigenen Sieg verkünden. Schlimmer noch: Am 20. Jänner könnte Trump sein Twittter-Konto verlieren.



Es ist eine durchaus durchwachsene Geschichte gradweiser Entfremdung zweier Nutznießer: Der Plattform, die dadurch regen Zustrom bekam - und jener Partei, die sie einsetzte. Seitens der Republikaner steht seit Längerem der Vorwurf im Raum, wonach soziale Medien politischen Einfluss nehmen und Zensurzügel anziehen. Trump hatte bereits vor Jahren mit herkömmlichen Medienkanälen vor allem mit jenen, die nicht seiner Meinung folgen, gebrochen. Wie kein anderer US-Präsident vor ihm (und möglicherweise auch nach ihm) verwendete er stattdessen den Kurznachrichtendienst als Sprachrohr. Doch auch dort geriet er während der letzten Monate in eine Bredouille.

Auch Facebook hat sich zuletzt entschlossen, durchzugreifen: Wie das soziale Netzwerk mitteile, habe man damit begonnen, Warnhinweise auszuspielen, nachdem sich Trump verfrüht zum Sieger erklärt habe. "Die Stimmen werden weiterhin ausgezählt. Der Gewinner der Präsidentschaftswahl 2020 wurde noch nicht ausgerufen", hielt Facebook vor dem Endergebnis lapidar fest.

Attackieren, was einem Gehör verschaffte? Genau das, angreifen, tat Trump auch nun, als er eine "Zensur einer liberalen Elite" ortete und auf Twitter über Twitter wetterte: "Twitter ist außer Kontrolle". Vielen Amerikanern stellte sich indes angesichts einer verstörenden Trump-Rede noch in der Wahlnacht, die Frage, wer hier offenbar außer Kontrolle sei. Für Twitter wiederum geht es darum, nicht selbst das Gesicht zu verlieren, die Plattform soll ein Ort "zuverlässiger Informationen" sein bzw. verkauft werden. Es scheint gut möglich, dass Twiter dem Trump-Account, der bislang durch die "Public Interest Policy" trotz teils zweifelhafter Inhalte besonderen Schutz genoss, den Garaus macht. Das könnte passieren, sobald Joe Biden ihm am 20. Jänner in seinem Amt nachfolgt.

Der Sache bzw. der Weiterverbreitung Herr zu werden, ist alles andere als einfach, wie die "Election Integrity Partnership", ein US-amerikanischer Zusammenschluss von Forschungseinrichtungen, aufdeckt. Was offenbar unwahre Trump-Tweets anbelangt, rechnete man an einem Beispiel vor: Durch den Warnhinweis von Twitter wurde die Verbreitung eines kritischen Eintrages zwar effektiv gestoppt. Dieser Eintrag wurde jedoch – trotz entsprechender Einschränkungen – in relativ kurzer Zeit über 55.000 Mal retweetet und über 126.000 Mal favorisiert: Das ist etwa so viel oder gar noch mehr Reichweite als die meisten anderen präsidialen Kurz-Depeschen an einem Tag aufweisen.