Bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt will der künftige US-Präsident Joe Biden schon Pflöcke einschlagen: Schon heute will er einen Expertenrat zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorstellen. Sein Ziel ist es, schon am Tag seiner Amtseinführung am 20. Jänner 2021 einen Aktionsplan zur Überwindung der Corona-Krise in die Wege zu leiten.

"Ich will, dass es jeder weiß: Wir werden unseren Plan, das Virus unter Kontrolle zu bringen, an unserem ersten Tag in Kraft setzen", sagte Biden. In den USA sind bereits rund 250.000 Menschen am Coronavirus verstorben.

Trump schäumt weiter

Noch-Präsident Donald Trump hat sich nach seiner Niederlage über das in den USA seit dem 19. Jahrhundert etablierte System beklagt, dass große Medienhäuser einen Wahlsieger ausrufen. "Seit wann bestimmen die Lamestream-Medien, wer unser nächster Präsident sein wird?", schrieb Trump am Sonntag auf Twitter. "Wir alle haben in den vergangenen zwei Wochen viel gelernt."

"Lamestream-Medien" ist ein Kunstbegriff Trumps, der die von ihm kritisierten Mainstream-Medien und "lame" (lahm) verquicken soll.

In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser entschieden wird. Eine herausragende Stellung kommt dabei der amerikanischen Nachrichtenagentur AP zu: Das Unternehmen steckt viele Ressourcen in die Wahl und wird für seine Unabhängigkeit und Genauigkeit geschätzt. AP hat nach eigenen Angaben seit 1848 bei Präsidentenwahlen in den USA den Gewinner vermeldet.

Auf Grundlage ihrer eigenen Berechnungen verkünden auch große US-Fernsehsender wie CNN oder Fox News einen Wahlgewinner. AP und alle wichtigen Sender hatten Trump-Herausforderer Joe Biden am Samstag zum Gewinner der Präsidentenwahl ausgerufen. Trump spricht von Betrug, hat dafür aber keine Beweise vorgelegt. Er hat seine Niederlage bisher nicht eingestanden.

Hintergrund des Systems in den USA ist, dass es dort auf Bundesebene keine Wahlbehörde und keinen Bundeswahlleiter gibt, der als verbindliche und unabhängige Autorität zeitnah das letzte Wort hätte. Stattdessen gibt es 51 Wahlleiter: Die Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington sind jeweils mit eigenen Gesetzen und Vorschriften für die Organisation der Wahl und das Auszählen der Stimmen verantwortlich.

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Der gewählte US-Präsident Joe Biden will indes auf die Anhänger des unterlegenen Amtsinhabers Donald Trump zugehen und sich entschlossen für die Eindämmung der Pandemie einsetzen. "Ich verspreche, ein Präsident zu sein, der danach strebt, nicht zu spalten, sondern zu einen", sagte Biden am Samstagabend in seiner Siegesrede in seinem Wohnort Wilmington im Bundesstaat Delaware. Trumps Anhänger bat er, ihm eine Chance zu geben, um gemeinsam für ein besseres Amerika zu arbeiten.

Er sei als Demokrat gewählt worden, aber er werde der Präsident des ganzen Landes sein und "genauso hart für alle arbeiten, die mich nicht gewählt haben", versprach Biden (77). "Es ist Zeit, die harsche Rhetorik beiseite zu legen", forderte Biden. "Geben wir uns gegenseitig eine Chance", sagte er. "Lasst uns diese düstere Ära der Dämonisierung hier und jetzt zu Ende gehen lassen", sagte Biden. Seine Aussagen ließen sich als deutliche Kritik an Trumps aggressivem Stil verstehen - obwohl Biden sich nicht direkt zu dem Republikaner äußerte. Der Demokrat Biden war am Samstag von US-Medien im Rennen um das Weiße Haus zum Gewinner ausgerufen worden.

Mindestens 279 Wahleute gingen an Biden

Biden gewann mindestens 279 der insgesamt 538 Wahlleute, die auf der Ebene der Bundesstaaten vergeben werden. Für einen Sieg brauchte er mindestens 270. Die Zahl der Wahlleute für den 77-Jährigen könnte aber noch anwachsen: In Arizona, Georgia, North Carolina und Alaska wurde noch kein Sieger ausgerufen. In Arizona mit seinen elf Wahlleuten und Georgia mit 16 Wahlleuten liegt Biden bei der laufenden Stimmenauszählung knapp vor Trump. In den beiden anderen Bundesstaaten hat der Amtsinhaber die Nase vorn.

Biden und sein "Running Mate" Kamala Harris bekamen nach jetzigem Stand mehr als 74,5 Millionen Stimmen - ein Rekord in der US-Geschichte. Den bisherigen Höchstwert hatte Barack Obama 2008 mit rund 69,5 Millionen Stimmen aufgestellt. Bemerkenswert ist, dass auch der Wahlverlierer Trump diese Zahl in diesem Jahr übertraf, er kommt derzeit auf knapp 70,5 Millionen Stimmen.

Trump erkennt Bidens Sieg nicht an

Trump dürfte indes seine Niederlage nich einräumen und Bidens Sieg nicht anerkennen. Er stellt sich als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne stichhaltige Beweise für seine Behauptungen vorzulegen. Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hingezogen hatte.

Noch in der Wahlnacht hatte Trump sich im Weißen Haus während der laufenden Auszählung zum Sieger erklärt und angekündigt, seinen Anspruch vor das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten zu bringen. In den vergangenen Tagen machte er wiederholt deutlich, dass er sich weiter als legitimer Sieger der Wahl sieht. Schon zuvor hatte der 74-Jährige offen gelassen, ob er das Wahlergebnis akzeptieren würde, und hatte eine friedliche Machtübergabe nicht garantieren wollen.

Trumps Team hat unter anderem im Bundesstaat Arizona eine Klage wegen angeblicher Missstände bei der maschinellen Stimmabgabe eingebracht. Laut den Dokumenten an einem Gericht in Maricopa County, dem Wahlkreis der Hauptstadt Phoenix, haben Wähler am Dienstag von Mitarbeitern in den Wahllokalen in vielen Fällen die Anweisung erhalten, bestimmte Knöpfe zu drücken. Tausende Stimmen seien dadurch fälschlicherweise abgelehnt worden.

Der Sieg Biden löste emotionale Reaktionen aus, unter anderem auch bei Kommentator Van Jones auf CNN.

Mit Biden geht nun wieder ein Berufspolitiker als Sieger der US-Wahl hervor, nachdem der Unternehmer Trump vor vier Jahren einen Überraschungssieg eingefahren hatte. Die Senatorin Kamala Harris würde die erste Frau und schwarze Amerikanerin im Vizepräsidentenamt. Biden hatte die Wahl seit Bekanntgabe seiner Kandidatur gegen Trump zum "Kampf um die Seele dieser Nation" erklärt.

Bei der Abstimmung am Dienstag standen auch die 435 Sitze des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze im Senat zur Wahl. Beim Regieren könnte Biden auf die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus setzen. Seine Partei konnte sich zunächst nicht die Kontrolle in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, sichern. Über die Mehrheit im US-Senat für die kommenden zwei Jahre entscheiden voraussichtlich erst zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia Anfang Jänner.

Das Rennen um das Weiße Haus war nach der Wahl am Dienstag eine wahre Zitterpartie. Trump konnte sich früh den Schlüsselstaat Florida sichern, den Biden für einen schnellen Sieg gebraucht hätte. Das Duell lief danach immer weiter auf eine knappe Entscheidung in besonders umkämpften Staaten hinaus. Seit Mittwoch verstärkten sich die positiven Anzeichen für Biden, der sich siegessicher gab.

Zum Nachlesen: Was in den ersten 24 Stunden der Wahl geschah