Laut Politikwissenschaftern nicht wahlentscheidend sei das zweite und letzte TV-Duell zwischen Amtsinhaber Donald Trump und Herausforderer Joe Biden am Donnerstag, hält der Politikerberater Yussi Pick im Gespräch mit der APA im Vorfeld der Fernsehdiskussion fest. Insbesondere für Trump sieht er dabei aber eine letzte Gelegenheit, Unentschlossene davon abzuhalten, für Biden zu stimmen. Das Rennen sei auch nach dem Wahlkampf-Großevent "absolut noch nicht gelaufen", betont er.

TV-Duelle hätten in Umfragen Kurzzeit-Effekte, Langzeit-Effekte gebe es aber keine, so Pick. Der Wahlkampf dauert nach dem direkten Aufeinandertreffen der Kandidaten noch knapp zwei Wochen.

Pick war 2016 im Digital Organizing Team im Hauptquartier des Teams um die Demokratin Hillary Clinton. Die Ex-Außenministerin unterlag dem Republikaner Trump vor vier Jahren bei der Präsidentschaftswahl. Sie erhielt USA-weit zwar mehr Stimmen, Trump sicherte sich aber die nötige Mehrheit der Wahlmänner.

"Letzte Möglichkeit zu präsentieren"

Die Konfrontation am Donnerstag zu außenpolitischen Themen sei "die letzte Möglichkeit der Kandidaten sich einer großen Anzahl von Menschen zu präsentieren", erklärt Pick, "und gerade wenn man hinten ist, wie es Donald Trump zu sein scheint, ist es umso wichtiger die Unentschlossenen bzw. die, die leicht für Biden sind, (...) in irgendeiner Form (von ihm) wegzuzerren - auf seine Seite zu ziehen oder sie zumindest wieder zu Unentschlossenen zu machen. Das hat in der ersten Debatte gar nicht funktioniert, das müsste Trumps Strategie in der zweiten Debatte sein", führt der Politikberater gegenüber der APA aus.

Die erste Debatte Ende September war vor allem wegen Trumps ständiger Unterbrechungen ins Chaos abgeglitten. Pick zufolge macht Trump keine Anstalten, sich dieses Mal anders zu verhalten. Allerdings gelten strengere Spielregeln: Das Mikrofon des Gegners wird teils stummgeschaltet, während der andere spricht. "Trump muss ein bisschen mehr nach den Spielregeln spielen, wobei es ihm bei der ersten Debatte schon darum ging, sozusagen nicht den Zuschauer zu adressieren, sondern Joe Biden zu provozieren und das kann er trotz abgedrehten Mikro noch immer machen."

Bidens Strategie ging auf

Bidens Strategie sei im ersten Durchgang "so gut es möglich ist aufgegangen", sagte Pick. Es sei ihm gelungen, "der Vernünftige zu sein und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Der frühere Vize-Präsident müsse aber noch mehr "inhaltliche Pflöcke einschlagen". Die noch größere Herausforderung für den Demokraten sei freilich, "die verrückten Verschwörungstheorien" zu parieren, die Trump sicherlich und vornehmlich um Bidens Sohn Hunter anbringen werde.

Trump erhebt seit langem und ohne Beweise Korruptionsvorwürfe gegen Vater und Sohn Biden rund um Geschäfte von Hunter Biden in der Ukraine und in China. Joe Biden weist das zurück. Mit dem Versuch, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über finanziellen Druck zu Justizermittlungen gegen Hunter Biden zu bringen, hatte sich Trump im Vorjahr ein Amtsenthebungsverfahren eingehandelt. Dieses überstand er, weil ihm die Republikaner im Senat die politische Mauer machten. Pick: "Was die Verschwörungstheorien angeht würde ich ihm (Biden) raten, nicht zu sehr darauf zu reagieren, das sozusagen als Humbug abzutun und nicht inhaltlich darauf einzusteigen." Denn das würde die Sache wichtiger machen als sie sein sollte.

TV-Duelle "schon Highlights"

Trotz heutiger Medienwelt mit einer Vielzahl von Info-Kanälen will Pick das Format TV-Duell nicht herunterspielen. Immerhin seien sie "die einzigen Veranstaltungen, wo die Kandidaten und Kandidatinnen im selben Raum sind. Dementsprechend sind das schon Highlights". Aber im Vergleich zu 2016 sei die Wirkung noch kurzlebiger. Das Thema von Trumps Sexismus, das Clinton damals im direkten Gespräch im Fernsehen in den Fokus rückte, habe eine gute Woche den öffentlichen Diskurs geprägt. 24 Stunden nach der bisher ersten direkten Fernsehkonfrontation in diesem Wahlkampf sei Trump an Covid-19 erkrankt und dies sei plötzlich das Top-Thema gewesen.

Auf die Frage, was er sich vom Wahlkampf-Endspurt erwartet, antwortete Pick: "Die Trump-Kamagne hat den Ton vorgegeben für die letzten zwei Wochen: Seit Trumps Gesundung und seitdem er wieder in den USA unterwegs ist und Veranstaltungen abhält, ist (...) der 2016er Trump zurück und dominiert absolut die Nachrichten, was schlechte Nachrichten für Joe Biden sind, wenn es darum geht, auch mit seinen Botschaften durchzukommen." Biden habe aber gegenüber Clinton einen Vorteil: Er müsse nicht gegen ein Image von Trump ankämpfen und den Teufel an die Wand malen. Er "braucht das nicht, er kann gegen die letzten vier Jahre unter Trump kampagnisieren. Er braucht den Teufel nicht an die Wand malen, er braucht den Teufel nur herzeigen."

Donald Trump wiederum habe als Amtsinhaber dieses Mal mehr Waffen in seinem Arsenal als vor vier Jahren. Als Beispiel nennt Pick die jüngsten Schritte des Präsidenten, "das Postwesen zugrunde zusparen", um eine für ihn ungünstige, große Beteiligung an der Briefwahl zu verhindern. So habe der republikanischer Gouverneur von Texas, Greg Abbott, in seinem Staat nur einen Briefwahl-Postkasten pro Bezirk aufstellen lassen, um die Beteiligung niedrig zu halten.

Auch die Strategie von 2016, sich voll auf umkämpfte, aber entscheidende Swing States zu konzentrieren, habe Trump weiterhin im Köcher: Was man am aktuellen Wahlkampf Trumps sehe sei, "dass er einen Verteidigungswahlkampf führt und keinen expansiven Wahlkampf. Er muss sich Sorgen machen um Iowa, um Florida, Bundesstaaten, die er eigentlich fix haben müsste, um in Bundesstaaten zu gehen, die tatsächlich knapp sind wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin." Aber in den letzten Wochen sei noch viel möglich, sagt Pick mit Blick etwas auf Clintons E-Mail-Affäre, die kurz vor der Wahl 2016 noch einmal hochkochte. "Da ist noch sehr viel Zeit für Überraschungen."

Was wahlentscheidend sein werde? "Ich würde sagen, wenn Joe Biden gewinnt, liegt das am Missmanagement von Donald Trump, was die Corona-Pandemie angeht und die dazugehörige Wirtschaftskrise. Wenn Donald Trump gewinnt, dann wird er nicht auf Basis von Inhalten gewinnen, sondern weil er geschafft hat, wie schon 2016, das Wahlsystem zu seinen Gunsten zu nutzen." Das Rennen sei jedenfalls "absolut nicht gelaufen, auch weil eine Pandemie wütet und es umso schwieriger ist, Umfragen in tatsächliche Wählerstimmen umzuwandeln".