Zum Nachlesen: Was in den ersten 24 Stunden der Wahl geschah

Dem demokratischen Kandidaten Joe Biden fehlt nur noch ein Staat auf den Sieg bei der US-Präsidentenwahl. Biden konnte sich am späten Mittwochnachmittag (Ortszeit) auch Michigan mit seinen 16 Wahlleuten sichern, ergab eine Prognose der US-Nachrichtenagentur AP. Damit hält der Herausforderer bei 264 Wahlmännern, um sechs weniger als für den Sieg erforderlich. Amtsinhaber Donald Trump lag demnach bei 214 Stimmen.

Noch nicht erklärt waren am Mittwochnachmittag die Staaten Pennsylvania (20 Wahlleute), North Carolina (15), Georgia (16) und Nevada (6). Biden würden zum Sieg schon die Stimmen Nevadas reichen, wo er nach einem Zwischenstand vorne lag. In den drei anderen Staaten lag Trump in Führung, doch schrumpfte sein Vorsprung mit Fortgang der Auszählung zusehends.

Zuversicht in Blau

Biden hatte sich nach den Etappensiegen in bisher von Trump gehaltenen Staaten im Mittleren Westen zuversichtlich gezeigt, dass er in der Endabrechnung vorne liegen wird. "Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen", sagte Biden am Mittwoch in Wilmington (Delaware).

Biden betonte, dass er den Sieg noch nicht offiziell für sich reklamieren wolle. Doch wenn die Auszählung beendet sei, "glauben wir, dass wir die Gewinner sein werden". Er gab sich bei seiner Ansprache präsidial und betonte, dass Amerika die tiefe Spaltung überwinden müsse. "Um Fortschritte zu machen, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln", sagte Biden. "Wir sind keine Feinde." Biden sagte, er habe als Demokrat Wahlkampf gemacht. "Aber ich werde als amerikanischer Präsident regieren", fügte er hinzu. Die Präsidentschaft sei das eine Amt, das die Nation repräsentiere.

Trump gab sich indes nicht geschlagen. Er liege in Pennsylvania, Georgia, North Carolina deutlich vorne und in Michigan sei eine "große Anzahl" Stimmzettel heimlich weggeschmissen worden, schrieb Trump am Mittwoch auf Twitter. Die Plattform versah Trumps Nachrichten umgehend mit Warnhinweisen.

#StopTheSteal - Stoppt den Diebstahl

Trumps Wahlkampfteam ergriff rechtliche Schritte im Ringen um die Auszählung von Stimmen in den umkämpften Staaten. So wurde in Georgia eine Klage eingebracht, um die Auszählung zu unterbrechen, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Zuvor war in Pennsylvania eine ähnliche Klage eingebracht worden.

Der Gouverneur von Pennsylvania, der Demokrat Tom Wolf, verurteilte die Klage als grundlos. "Bemühungen, den demokratischen Prozess zu untergraben sind einfach schändlich", sagte Wolf am Mittwochabend (Ortszeit) vor Journalisten. Die für die Durchführung der Wahl zuständige Staatssekretärin Kathy Boockvar erklärte, der Staat werde die Auszählung vorerst transparent und rechtmäßig fortsetzen.

Trump hatte sich in der Wahlnacht nach für ihn günstigen Teilergebnissen zu Sieger erklärt. "Wir waren dabei, diese Wahl zu gewinnen", sagte der Präsident in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) und fügte hinzu: "Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen." Bidens Wahlkampfteam warf Trump vor, die Auszählung rechtmäßig abgegebener Stimmen stoppen zu wollen. Das sei "empörend, beispiellos und falsch".

Im Laufe des Tages setzte Trump mehrere Tweets ab, in denen er über die Auszählung schimpfte und schwere Vorwürfe äußerte. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen "auf magische Weise verschwunden", schrieb er etwa. In Pennsylvania werde "hart daran gearbeitet", schnell eine halbe Million Stimmen "verschwinden zu lassen", schrieb er an anderer Stelle. Biden bekräftigte: "Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist."

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel an der Rechtmäßigkeit geschürt - obwohl die Abstimmung per Post eine etablierte Form der Stimmabgabe ist. Er warnte ohne stichhaltige Beweise vor massiven Fälschungen. Hinweise auf nennenswerten Wahlbetrug gab es nicht.

Trumps Wahlteam kündigte an, in Wisconsin mit Blick auf "Unregelmäßigkeiten" eine Neuauszählung der Stimmen beantragen zu wollen. In Michigan hat sie nach eigenen Angaben Klage bei einem Gericht eingereicht und einen sofortigen Stopp der weiteren Auszählung verlangt, bis den Republikanern Zugang zu den Wahllokalen gewährleistet werde.

Republikaner McConnell distanziert sich

Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, sagte, das Land werde bald sehen, wie die Entscheidung der Wähler ausgefallen sei. "Wir wissen noch nicht, wer das Rennen um die Präsidentschaft gewonnen hat", sagte der Trump-Vertraute vor Journalisten. Er fügte hinzu, dass er Trumps Ankündigung, den Kampf um die Wahl vor Gericht fortzusetzen, für unproblematisch halte.

Der 74 Jahre alte Trump schnitt insgesamt deutlich besser bei der Wahl ab als nach Umfragen erwartet. Der drei Jahre ältere Biden verfehlte den von den Demokraten erhofften klaren Wahlsieg und musste sich unter anderem in Florida und Texas dem republikanischen Präsidenten geschlagen geben. Vor der Wahl hatte das Statistikportal "FiveThirtyEight" nur eine Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.

Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen gehen mit Ausnahme der beiden Staaten Nebraska und Maine vollständig an den Sieger in dem jeweiligen Bundesstaat. Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen nötig. 2016 hatte Trump zwar landesweit weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton geholt, aber mehr Wahlleute für sich gewonnen.

Wegen der Rekordbeteiligung konnte Biden auch den bisherigen Stimmenrekord seines Parteifreundes Barack Obama übertreffen, mit dem er im Jahr 2008 als Vize angetreten war. Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur AP, der "New York Times" und anderer Medien kam Biden auf mehr als 70 Millionen Stimmen. Für Obama hatten im Jahr 2008 rund 69,5 Millionen Amerikaner abgestimmt.

Der Liveticker rund um das Wahl-Geschehen in den Vereinigten Staaten: