Die Grünen sind seit mehr als zwei Jahren in der Regierung, Russland führt in Europa Krieg und trotzdem werden jeden Tag Gasheizungen gebaut. Wie kann das sein?
WERNER KOGLER: Seitdem die Grünen in der Regierung sind, wird überhaupt erst an der Energiewende gearbeitet. Und jetzt noch schneller. Es wird auch gerade die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Gas nicht mehr dafür verwendet wird, um Gebäude zu heizen. Man wird aber nicht alle Projekte, die jetzt baureif und schon bewilligt sind, absagen können. Da bekämen wir am Wohnungsmarkt Probleme.

Es gibt noch kein Verbot von Gasthermen im Neubau, geschweige denn einen Plan für die 900.000 Gasheizungen in Betrieb.
Beim ersten Punkt ist die gesetzliche Grundlage am Weg. Beim zweiten braucht man auch ganz stark die Bundesländer. Aber dass die ganze Gasabhängigkeit nicht über Nacht weggehen kann, muss einleuchten. Ärgerlich ist, wenn Zwischenrufe jetzt ausgerechnet von jenen kommen, die uns das eingebrockt haben. Jetzt sind es die Grünen, die die Feuerwehr machen. Es kann aber nicht sein, dass dann die Brandstifter die Feuerwehr beschuldigen.

Wann legt die Regierung einen Plan für einen Ausstieg aus russischem Gas vor?
Kurzfristig ist das besonders schwierig, aber wir schaffen jetzt Teilabhilfe, indem die Gasspeicher gefüllt werden.

Mit Gas aus Russland ...
Dazu gibt es derzeit keine greifbaren Alternativen. Mit einer 80-prozentigen Abhängigkeit von russischem Gas ist unser Spielraum begrenzt. Wenn wir uns nicht wappnen, würden harte Zeiten auf Österreich zukommen, falls Putin den Gashahn zudreht. Diese Vorratshaltung wird in die Milliarden gehen und kann uns eine Weile drüberhelfen. Über Ostern wird weiter intensiv an Strategie und Details zum Aufbau der Gasreserve gearbeitet. Auch da werden die Bundesländer mitziehen müssen, um ihre Energieversorger mit an Bord zu kriegen, mit Regulativen und Anreizen. Auch die Industrie, die ja am schnellsten leiden würde, soll einspeichern können.

Und mittelfristig?
Mittelfristig geht es darum, andere Quellen zu besorgen, verflüssigtes Gas etwa, aber es wird auch versucht, über norwegische Gasfelder etwas zu erreichen. Der Bundeskanzler, der Finanzminister, die Energieministerin und ich setzen alle Hebel in Bewegung. In dem Zusammenhang soll auch die OMV ihren Beitrag leisten müssen. Die frühere Führung dort hat uns vor allem eingebrockt, dass wir verlässlich aufs falsche Pferd gesetzt haben. Jetzt müssen wir eine Schubumkehr einleiten.

Die Bundesländer müssen Zonen für Solar- und Windkraftanlagen ausweisen, aber nicht alle tun das. Wie bringen Sie sie an Bord?
Ich erwarte mir von den zuständigen Bundesländern und jeder Landesregierung, in Vorlage zu treten. Sollte es trotz der Möglichkeiten des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes noch Engpässe geben, kann es noch mehr finanzielle Förderungen geben.

Auch wenn der Wille da ist, dauern die Genehmigungsverfahren oft sehr lang. Wie kann das beschleunigt werden?
Wir sind bereit, personell im öffentlichen Dienst aufzustocken und vor allem besser auszubilden. Je nach Bundesland gibt es unterschiedliche Engpässe und manchmal stellt es einem wirklich die Haare auf. In der Steiermark haben wir schon zur Zeit von Landeshauptmann Voves offengelegt, dass bei den zuständigen Behörden einiges im Argen liegt. Und jetzt wissen wir: Die WKStA ermittelt bei den Behörden in der Steiermark. So kann man ja nicht arbeiten! Ich weiß nicht, ob sie dort schlafen, aber ich erwarte mir von Landesregierungen, egal welcher Couleur, dass sauber und schnell gearbeitet wird. Ich bin für korrekte Verfahren, auch um letzte Naturflächen zu erhalten, aber es muss schnell gehen.

Ist es denkbar, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für dringliche Projekte ausgesetzt wird?
Dieser Rösselsprung wird nicht notwendig sein. Die UVP-Verfahren müssen in der Praxis eben funktionieren. Ich bin bereit, über Normen zu reden. Aber auch wenn eine dramatische Zeitenwende eingetreten ist, werden wir nicht alle Normen abschaffen. Ich bitte, darauf zu schauen, wo die Engpässe wirklich liegen.

Naturschutz ist häufig ein Thema. Müsste man in einer derart dramatischen Situation nicht sagen: "Wir müssen uns entscheiden – entweder sterben Ziesel oder noch mehr Menschen in der Ukraine"?
Den Vergleich weise ich scharf zurück. Das unterstellt ja unsinnigerweise, dass der Krieg in der Ukraine beendet wäre, wenn wir nur Windräder ohne Genehmigungsverfahren bauen würden. Aber natürlich muss vieles ein Kompromiss zwischen Naturschutz, Umweltschutz, Industrie- und Klimapolitik sein. Beim Abwägen geht es auch um Knappheit: 80 bis 90 Prozent unserer Gewässer sind für Wasserkraft verbaut. Es muss auch angesichts von Klimakrise oder Krieg möglich sein, ein paar Prozent von europaweit einmaligen Schutzgebieten für unsere Kindeskinder zu erhalten. Beim Wind ist es umgekehrt, da sind 80 bis 90 Prozent der Flächen noch nicht einmal ausgewiesen. Da sind wir wieder bei: "Hallo Bundesländer, aufwachen!"

Auch beim Informationsfreiheitsgesetz brauchen Sie die Länder ...
Die Bundesregierung hat geliefert, aber die Anlieferung wird blockiert, und zwar von den Bundesländern. Alle Landeshauptleute, gerade die, die im Wahlkampf sind – Günther Platter, Johanna Mikl-Leitner, Peter Kaiser und Wilfried Haslauer –, werden erklären müssen, was zu ihrer Blockade führt.