Wie umgehen mit Falschinformationen, insbesondere jenen, die über das Internet und Soziale Medien eine weite Verbreitung erfahren?

Verschwörungstheorien sind seit der Coronakrise nicht nur häufiger, sondern sie werden auch extremer und irrationaler. Diesen Befund zeichnete Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen bei einer Pressekonferenz Montagvormittag. Immer öfter würden angebliche Gefahren für Kinder in den Vordergrund gerückt, weil die behauptete Gefahren damit noch schrecklicher wirkten.

Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) warnte davor, die Entwicklung nicht zu unterschätzen. Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sehen Rechtsextreme eine Jahrhundertchance. Auch für Raab ist die Entwicklung auch deshalb "besonders gefährlich", weil "abstruse Theorien" etwa zu Impfungen, Masken und Testungen "häufig mit antisemitischem Kern" versehen seien. Die Erstürmung des Kapitols in den USA oder die aufgedeckten Pläne in Österreich, Angriffe auf die Polizei zu starten, zeigten das reale Gewaltpotenzial.

So erkennt man den Unterschied

Kritik an Corona-Maßnahmen oder Sorge wegen bestimmter Impfstoffe ist nicht gleichzusetzen mit dem Leugnen von Corona und der Verbreitung von Verschwörungstheorien. Wie erkennt man den Unterschied? Ulrike Schiesser erklärt es so: "Die Verschwörungstheorie sieht hinter allem eine Macht, die alles steuert. Es gibt keine Zufälle, alles ist geplant. Etwa so: Die Impfung 'ist nur entwickelt worden, um alle Menschen zu töten' oder die 'Pandemie ist nur eine Erfindung der Pharmaindustrie, um damit Geld zu verdienen'.  Wenn ein Gegenargument kommt, wird sofort abgelenkt, ein anderes Argument genannt. Da ist kein Dialog möglich. Kritik hingegen lässt sich immer fachlich begründen, nennt das Argument, hört das Gegenargument, nennt die Person, der man vertraut bzw. von der man seine Meinung hat."

Das sind die Theorien

Um welche "Geschichten" ranken sich diese Verschwörungstheorien?  Schiesser nannte Beispiele aus der Praxis:

  • "Bill Gates versieht Impfstoffe mit Mikrochips" - eine Theorie, die weit verbreitet ist
  • "Das Impfen dient der Bevölkerungsreduktion und macht unfruchtbar" - ebenfalls weit verbreitet
  • eine Frau erzählt, dass ihr Mann Geld vom Konto abhebt und Goldbarren kauft, die er zu Hause versteckt, dass er Survival-Kurse belegt und sich eine Waffe zulegen will, weil demnächst "das gesamte wirtschaftliche System zusammenbricht"
  • ein Mann wendet sich an die Sektenstelle, weil seine Frau, bis vor kurzem eine engagierte Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, sich jetzt in der Demo-Szene involviert und dabei auch antisemitische und fremdenfeindliche Inhalte verbreitet
  • eine Frau ist verzweifelt, weil der Bruder der 72-jährigen Mutter diese dazu überredet hat, die Impfung abzusagen, "weil da ein Chip implementiert wird und die Impfung eh nicht nötig ist, weil Corona gar nicht gefährlich ist"
  • eine Lehrerin berichtet, ein kleines Mädchen habe Angst vor Masken, "weil da Sachen ins Gehirn durchsickern"
  • Eine Familie verweigert im Namen der Kinder die Nasenbohrertests, weil die so gefährlich seien, und will die Kinder im Herbst abmelden vom Unterricht
  • Eine Frau bricht in Tränen aus, weil sie sich überreden lassen hat, sich zu impfen, und jetzt überzeugt davon ist, in zwei Jahren zu sterben
  • eine Familie kommt nicht zur Impfung, wenn zu viele Geimpfte kommen, weil die kontaminieren die anderen und schaden ihnen

Das kann man dagegen tun

Es sind vor allem verzweifelte Freunde und Angehörige, die sich an die Sektenstelle melden. Welchen Rat gibt man ihnen, wie geht man um mit vertrauten Personen, die man nicht mehr versteht?

Die Person von den Theorien trennen, empfiehlt Schiesser: Wichtig sei der respektvolle Umgang mit der Person, auch wenn die Theorie problematisch sei: "Verlangen Sie vom Gegenüber, dass es den Mindestanstand wahrt, da muss man dann aber auch selber offen sein: zuhören, Position beziehen, den Schwarz-Weiß-Schablonen entgegenwirken. Grenzen setzen und aufzeigen, aber nicht zurückweisen."

Was es schwierig mache, mit den Verschwörungstheoretikern umzugehen, sei, dass es sich um ein pseudo-religiöses Weltbild handle, das durch Argumente nicht angreifbar sei, so Schiesser.

Raab und Nehammer betonten, manchen Demonstrationsteilnehmern sei gar nicht klar, dass sie von Rechtsextremen bewusst in Zusammenhang mit antisemitischen Inhalten gerückt und dadurch selbst damit in Verbindung gebracht würden. "Es ist die Suche nach einfachen Erklärungen, die da wirkt, und die gerade in Krisenzeiten von politischen Akteuren noch weiter befeuert wird." Die Gewaltbereitschaft erhöhe sich, es komme zu Attacken auf Journalisten und Polizei.

Das sind die Maßnahmen

Manuel Scherscher von der Initiative "Gemeinsam sicher" nannte fünf Punkte eines Maßnahmenplans, der verstärkt gegen Verschwörungstheorien wirken soll:

  • eine Aufklärungskampagne mit dem Schwerpunkt auf den Sozialen Medien
  • direkte Bürgerbeteiligung über Sicherheitsforen und Sicherheitsstammtische, dazu gebe es auch einen Leitfaden in Form einer Broschüre, erhältlich bei den Poizeiinspektionen und herunterzuladen über die
  • Prävention gegen Fake News, Deep Fake, Hass im Netz und Hate Crime
  • Online-Vorträge von Experten der Bundesstelle an die rund 3000 Multiplikatoren des Netzwerks "Gemeinsam sicher"
  • die direkte Beratung über die Bundesstelle Sekten und "Gemeinsam sicher"

FPÖ nimmt Kritiker in Schutz

Die FPÖ rückte umgehend aus, um die Corona-Maßnahmen-Kritiker in Schutz zu nehmen. "Wer Kritiker der Corona-Maßnahmen zu Leugnern, Spinnern, Rechtsextremen und Neonazis abstempelt, offenbart damit sein eingeschränktes Verständnis von Demokratie und Meinungsvielfalt", erklärte Verfassungssprecherin Susanne Fürst in einer Aussendung. Einziges Ziel sei es offenbar, die Kritiker der Regierungslinie mundtot zu machen.