Nächste Etappe im Tauziehen zwischen der EU-Kommission und Ungarn wegen der umstrittenen Asylpolitik der Regierung Orban: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg,  Athanasios Rantos, legte am Donnerstag seine Schlussanträge vor - und folgte darin zwar nicht zur Gänze, aber zu weiten Teilen, der Argumentation der EU-Kommission. Somit droht Ungarn eine weitere Niederlage vor dem EuGH.

Brüssel hatte Ungarn verklagt, weil es 2018 einen neuen Grund für die Ablehnung von Asylanträgen eingeführt hat: Es gilt, wenn der Asylbewerber über ein Land eingereist ist, in dem ihm keine Verfolgung drohte. Darin sieht die Kommission einen Verstoß gegen das EU-Recht. (Az. C-821/19). Zudem bestraft Ungarn Organisationen, die Asylverfahren in Fällen unterstützen, in denen die ungarischen Kriterien nicht erfüllt sind - auch das betrachtet die Kommission als rechtswidrig.

Rantos unterstreicht in dem nun veröffentlichten Papier seine Einschätzung, dass Ungarn gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen habe. Durch die Gesetzesreform von 2018 erschwere Ungarn die Voraussetzungen für den Zugang zu den Verfahren des internationalen Schutzes; und es erschwere darin auch die Ausübung der Beratungstätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Personen zu unterstützen, die internationalen Schutz beantragen wollen, auch wenn die ungarischen nationalen Kriterien für die Gewährung dieses Schutzes nicht erfüllt werden.

Recht auf internationalen Schutz

Indem Budapest diese Beratungstätigkeit unter Strafe gestellt hat, würde diese kriminalisiert. Die Kriminalisierung wiederum behindert laut Rantos die Ausübung der Rechte, die der Unionsgesetzgeber im Bereich der Unterstützung für Personen, die internationalen Schutz beantragen wollen, garantiert.

In seinen Schlussanträgen weist Rantos darauf hin, dass der Gerichtshof  bereits mit seinem Urteil vom 19. März 2003 die Rechtswidrigkeit des von der Kommission gerügten Unzulässigkeitsgrundes festgestellt habe. Daher schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof nun vor, festzustellen, dass Ungarn mit der Einführung dieses Unzulässigkeitsgrundes gegen seine Verpflichtungen aus der „Verfahrensrichtlinie“ verstoßen hat. Die EU-Richter folgen dem EuGH-Anwalt in den meisten Fällen, sind aber in ihrem Urteil nicht an seine Stellungnahme gebunden. 

Das Maßnahmenpaket, das seit Jahren für Zwist zwischen Brüssel und Budapest sorgt, wurde 2018 auch als "Stop-Soros"-Gesetz bekannt. Orban behauptet, der ungarisch-stämmige US-Philantrop George Soros, der Hilfsorganisationen unterstützt, stecke hinter den Flüchtlingsbewegungen, was dieser zurückweist. Schon zweimal hat Ungarn im vergangenen Jahr wegen anderer Asylregelungen vor dem EuGH eine Niederlage erlitten.