Wie oft haben Sie in den letzten Tagen bereut, dass Sie eine Koalition mit der ÖVP eingegangen ist?
SIGRID MAURER: Kein einziges Mal. Wir haben das bewusst gemacht. Wir haben einen Job zu erledigen, der lautet: saubere Umwelt, saubere Politik. Letzteres werden wir in den nächsten Wochen beweisen.

Sie müssen als kleiner Koalitionspartner schon eine besondere Leidensfähigkeit an den Tag legen?
Dass Regierungsarbeit herausfordernd ist, war klar. Dass Regieren mit der ÖVP besonders herausfordernd ist, war auch klar. Natürlich gibt es den einen oder anderen schwierigen Moment, aber wir haben einen Wählerauftrag, den wir umsetzen wollen.

Diese Selbstaufgabe passt zur beginnenden Fastenzeit?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir setzen in den nächsten Wochen Antikorruptionsmaßnahmen um, für die wir gewählt worden sind.

Sie sagen, Sie haben einen Wählerauftrag, den Sie umzusetzen haben – zu jedem Preis?
Wir haben einen Auftrag, es gibt keinen Preis dafür. Wenn Sie auf Minister Blümel anspielen: Der Beschuldigtenstatus ist kein Urteil, die Staatsanwaltschaft ist am Zug. Ich maße mir nicht an, eine endgültige Einschätzung abzugeben. Für den Misstrauensantrag heute hat die Faktenlage nicht gereicht.

Wenn Sie in Opposition gewesen wären, hätten Sie den Misstrauensantrag eingebracht?
Wir Grüne waren mit Misstrauensanträgen immer zurückhaltend. Es hätte schon so sein können. In der Opposition hat man andere Aufgaben. Seit Aufkommen der Vorwürfe hat sich bis jetzt der Verdacht nicht erhärtet.

Ist es die schwierigste Krise in der Zusammenarbeit mit der ÖVP?
Es kommt darauf an, was man daraus macht. Wir haben einen Auftrag, der da lautet: Korruption verhindern und Transparenz ermöglichen. Das machen wir jetzt.

In welcher Form?
Es wird ein Informationsfreiheitsgesetz geben. In den nächsten Wochen wird die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, die Reform der Parteienfinanzierung und die Entflechtung der Glücksspielagenden angegangen.

Angegangen, aber mit offenem Ausgang?
Nein. Das Informationsfreiheitsgesetz geht in Begutachtung, bei der Parteienfinanzierung legen wir einen  gemeinsamen Initiativantrag vor.

Wird der Rechnungshof künftig aktiv Einblick nehmen können?
Der Rechnungshof wird bei einem gewissen Verdacht Einschau nehmen können.  Und wir werden auch die Frage der Vereine angehen.

Ist dies das Zugeständnis der Türkisen an die zunehmend unrund werdenden Grünen?
Wir haben auch die unabhängige Oberstaatsanwaltschaft erreicht. Die ÖVP hat an diesem Wochenende beschlossen, dass sie sich unserer jahrzehntelangen Forderung anschließt. Das ist erfreulich und wahrlich ein Meilenstein.

Hat das die ÖVP aus freien Stücken gemacht oder haben Sie die Daumenschrauben angesetzt?
Es ist eine Kombination aus beiden. Offensichtlich hat auch die ÖVP das Gefühl, dass sie was tun muss. Die Begründung ist leider sehr zwiespältig. Die neue Oberstaatsanwaltschaft soll ja nicht die ÖVP schützen, sondern dafür sorgen, dass die Verfahren unabhängig geführt werden. Wir hatten immer wieder politische Intervention, das muss abgestellt werden. Das Problem ist nicht, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu politisch agiert, sondern dass es politische Interventionen gibt.

Ohne Hausdurchsuchung hätte es die Zugeständnisse nicht gegeben?
Ohne Hausdurchsuchung hätte es länger gedauert.

Sie müssen sich also bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft bedanken?
Ich bedanke mich generell bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft für ihre Arbeit. Es ist nicht einfach, diese Arbeit zu machen und dann so angegriffen zu werden vom Kanzler und vom Klubobmann. Das ist einer Kanzlerpartei nicht würdig. Wir Grüne sind dazu da, um die Justiz zu schützen.

Wenn Blümel angeklagt wird?
Dann muss er zurücktreten.

Wenn er es nicht tut, verlassen Sie die Koalition?
Wir sind am Anfang eines Verfahrens. Bis jetzt hat sich der Verdacht nicht erhärtet. Es kann sein, dass es sich im Sand verläuft. Sollte er angeklagt werden, weiß er, was zu tun ist.