In den Abendstunden ahnte noch niemand in den diversen Kabinetten, dass Kanzler, Gesundheits- und Innenminister am nächsten Vormittag drakonische, in der Geschichte der Zweiten Republik wohl beispiellose Maßnahmen, die unseren Alltag auf den Kopf stellen werden, verkünden würden. Dass sich die Regierung anschickt, Fußballstadien, Opernhäuser, Konzerthallen, Universitäten, die Grenze zu Italien zu schließen, bzw. auch Einschränkungen der Osterfeierlichkeiten (Palmweihe, Osternacht) im Raum stehen, schien, so ein Rundruf in diversen Ministerien, „eine von vielen Optionen, aber derzeit unwahrscheinlich“ zu sein. Umso verblüffter waren selbst höchstrangige Sektionschefs, als gestern knapp vor 12 Uhr die türkis-grüne Koalition die Notbremse zog und in einer denkwürdigen Pressekonferenz die spektakulären Maßnahmen ausgerollt wurden.

Am Sonntag schrillten die Alarmglocken

Im Kanzleramt, im Gesundheitsministerium sowie innerhalb der 20-köpfigen Corona-Taskforce soll, wie die Kleine Zeitung in Erfahrung bringen konnte, die Entscheidung bereits am Sonntag spätabends gefallen sein. „Als wir gehört haben, dass allein am Sonntag in Italien mehr als 130 Menschen an Corona gestorben und die Zahl der Infizierten explodiert sind, war klar, dass wir schnell handeln und unsere Pläne vorziehen mussten“, erklärt einer der Beteiligten. Vor allem unter den Experten in der Taskforce, allesamt ausgewiesene Mediziner, Virologen, Epidemologen schrillten die Alarmglocken. Zunächst hatte die Regierungsspitze gehofft, durch eine Vorziehung der Osterferien (um eine Woche für Schüler, um zwei Wochen für Studenten) sich über die Runden retten zu können.

Sorge um Infizierung von Kranken und Alten

Würde Österreich nicht an Italien grenzen, hätte die Regierung womöglich schaumgebremster agiert. „Wir sind in der Entwicklung zwei Wochen hinter Italien“, heißt es. Die neuen Maßnahmen sind, wie Kanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudi Anschober gestern auch angedeutet haben, von der Sorge getragen, dass die Zahl der Infizierten explodiert, die Ausbreitung des Virus außer Kontrolle gerät, kranke und alte Menschen, die über ein nicht so robustes Immunsystem verfügen wie jüngere und gesunde Mitbürger, gefährdet werden, vor allem aber, dass das Gesundheitssystem, insbesondere die Spitäler bei einer Ausweitung des Virus an ihre Kapazitätsgrenzen geraten könnten. Vor genau 15 Tagen hatte Österreich seinen ersten Fall.

Werden Schulen noch diese Woche geschlossen?

Welche Pläne noch in der Schublade liegen, will man nicht so genau sagen. Dass der Kanzler die Schließung von Schulen – womöglich noch im Verlauf dieser Woche – in Aussicht gestellt hat, dürfte kein Zufall sein. Sollte dieser Schritt keine Trendwende herbeiführen, könnten auch Lokale geschlossen werden. In Vorbereitung ist auch ein umfangreiches Konjunkturpaket für die krisengeschüttelten Unternehmen und Institutionen. Orte sollen nur abgeriegelt werden, wenn in einer Gemeinde konzentriert Corona-Fälle auftreten.