Frau Hofmarcher-Holzhacker, Sie sind Gesundheitsökonomin und warnen seit Jahren vor mangelnden Reformen in der Pflege. Hat Sie der aktuelle Befund des Rechnungshofes, der Österreich fehlende Vorbereitung attestiert, überrascht?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Nein, das hat mich nicht überrascht. In diesem Bereich herrscht seit Jahren eine allseitige kognitive Dissonanz. Und die hat der Rechnungshof mit seinem Bericht nun auch aufgezeigt.

Wie erklären Sie sich diese Dissonanz?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Das ist ja irgendwie auch verständlich – wer will schon leidenschaftlich gern mit den Schlagworten Alter, Pflege und Sterben Politik machen? Vor allem, wenn man selbst vielleicht noch viele Jahre davon entfernt ist. Aber der Bericht hat mich froh gemacht und auch hoffnungsvoll. Danke Rechnungshof Österreich.

Was ist die Ursache für Ihre aufkeimende Hoffnung?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Endlich gibt es mit dem Bericht eine umfassende Gesamtdarstellung der Situation, die für alle Akteurinnen und Akteure in diesem Bereich die Arbeitsgrundlage sein muss.

Apropos Arbeit: Was muss die Politik jetzt tun, um gegensteuern zu können?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Einiges. Die Politik muss alle jetzt alle Akteure an einen Tisch bringen und dabei Diskussion und Dissens moderieren. Der Bund muss dabei mit einer eigenen und gesamthaften Vorstellung in die Diskussion gehen, aber auch Platz lassen für die Inputs aus den Reihen jener, die jeden Tag dafür sorgen, dass Menschen in ihren bevorzugten Settings betreut werden. Hier muss interministeriell vorgegangen werden, mit Weitblick und Klarsicht.

Wie könnte so ein Weitblick aussehen?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Klar aus meiner Sicht  ist, dass die eingemahnten Vorbereitungen seitens des Sozialministerium vorzunehmen sind. Dabei ist es besonders wichtig – wie auch vom Rechnungshof hervorgehoben –, dass der „eiserne Vorhang“  zwischen Gesundheit und Pflege überwunden wird.

Und wie soll Pflege finanziert werden?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Die Finanzierung sollte weiterhin mit Steuermitteln erfolgen. Und es muss sichergestellt sein, dass entsprechende öffentliche Mittel eingesetzt werden. Ansonsten müssten die Pensionen deutlich steigen,  damit die Kosten überhaupt zu stemmen sind.

Wie schnell muss die Politik diese Schritte nun setzen?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Ein umfassendes Modell sollte aus meiner Sicht spätestens in einem Jahr vorliegen, damit rasch die Gesetze entsprechend angepasst werden können. So ein Modell verschränkt Finanzierung und Versorgung. 2021 sollte mit der Umsetzung begonnen werden, dies sollte von Planbarkeit geleitet sein.

Können Sie hier ins Detail gehen?

Maria Hofmarcher-Holzhacker: Mit viel Ressourcen können die einzelnen Säulen der Versorgung, Pflege zu Hause, 24-Stunden-Pflege und Pflegeheime in den nächsten fünf bis 10 Jahren rechnen. Das sendet auch Signale an den Arbeitsmarkt und die Zivilgesellschaft. Und es motiviert hoffentlich Menschen dazu, Aufgaben in diesen Bereichen zu finden. Ein wesentlicher erster Schritt wäre die mobile Pflege in die ambulante Versorgung zu integrieren. Also einen Ambulanztopf auf Ebene der Bundesländer einzurichten, wo dann konkret „Gesundheit und Pflege“ zusammen arbeiten könnten.