Der Volkswirt Lukas Sustala hat mit seinem kürzlich erschienenen Buch „Zu spät zur Party“ offenbar einen wunden Punkt berührt (wir brachten ein Interview mit ihm in der Montags-Ausgabe). Denn er stellt die These auf, dass die heute 25- bis 35-Jährigen wirtschaftlich benachteiligt seien – vom einstigen Wirtschaftsaufschwung würden ihnen heute nur die „demografischen Kosten“ der alternden Gesellschaft bleiben. Eine ganze Generation laufe Gefahr, den „Anschluss zu verpassen“ und erst mit großer Verspätung in geordnete Lebens-, Wohn- und Erwerbsverhältnisse hineinzuwachsen.
In mancher Hinsicht lässt sich diese These auch außerhalb des rein wirtschaftlichen Zusammenhangs untermauern. Man denke etwa an die Klimakrise oder an den Umstand, dass zumindest in Westeuropa die älteren Wahlberechtigten die Mehrheit bilden. Weshalb vielfach Politik für die ältere Generation gemacht wird.

Die Warnung Sustalas vor einer möglichen „Herrschaft der Alten“ wird allerdings in Fachkreisen kaum geteilt, wie ein Rundruf zeigt. Davon könne keine Rede sein, meint etwa der Soziologe Manfred Prisching: „Wir hatten noch nie eine so junge Bundesregierung wie heute“, sagt er. Richtig sei zwar, dass der Anteil der Älteren weiter steigen wird und dadurch „hohe Kosten für körperliche Wartungsarbeiten“ - also für Gesundheit und Pflege - anfallen.

Prisching verweist aber auf den hohen Wohlfahrtsstandard, der allen zugutekomme: „Wir leben in einem Luxusland, das von den Älteren geschaffen wurde.“ Es gebe heute viel mehr Möglichkeiten, zum Beispiel sei der internationale Studentenaustausch längst normal. Nur seien halt auch die Ansprüche gestiegen. Denn jede neue Errungenschaft werde rasch zur Selbstverständlichkeit.



Die Philosophin Lisz Hirn sieht prekäre Jobs als großes Problem: „Junge können sich entweder den Wohlstand nicht erarbeiten oder es dauert zu lange.“ Manche würden daher auf Familiengründung verzichten. Hirn appelliert an die Älteren, die Jugend finanziell zu unterstützen. Die frühere Formel „Die sollen es zuerst einmal selber schaffen“ sei heute nicht mehr angebracht.

Ein Befund, den auch Zukunftsforscher Peter Zellmann bestätigt: Jugendliche könnten heute beruflich schwerer Fuß fassen als früher. Das treffe besonders Akademiker - „also genau die Gruppe, die sich früher rasch einen Wohlstand aufbauen konnte“.

Global stellt übrigens die Jugend die Mehrheit: Weltweit ist jeder zweite Mensch unter 30 Jahre alt. Aber im politischen System sind die Jungen unterrepräsentiert. „Sie sind nicht sichtbar und dadurch geht die Selbstwirksamkeit verloren“, meint die Gründerin der Organisation „Youth Empowerment & Participation“ (YEP). Rebekka Dober. Die 27-Jährige will mit der Plattform der Jugend eine politische, aber nicht parteipolitische Stimme geben.

Dober verweist auf den YEP-Jugendbericht 2019, der beim Thema „Lebenschancen“ ein differenziertes Bild zeigt: „Jugendliche aus bildungsfernen Schichten haben das Gefühl, es geht ihnen besser als ihren Eltern. Jene aus bildungsnahem Elternhaus sehen hingegen schlechtere Chancen für sich.“ Am besten sei die Einschätzung bei Absolventen des Polytechnikums ausgefallen.

Johannes Martinek, Präsident der Gesellschaft für Zukunftssicherung und Altersvorsorge, hält generelle Aussagen über die Benachteiligung einzelner Generationen für spekulativ. Er glaubt aber, dass beispielsweise eine nachhaltige Reform des Pensionssystems durchaus auch von den älteren Menschen mitgetragen würde: „Der Altersaufbau hat sich verschoben, aber das heißt nicht, dass alles blockiert werden muss.“ Nicht durchsetzbar seien nur „unerklärliche oder unzumutbare Eingriffe“.

Rebekka Dober betont, dass die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. Und sie verweist darauf, dass materielle Ziele wie das klassische Eigenheim sowieso an Wichtigkeit verlieren: „Unsere Generation will Sinn erfahren und Sinn stiften. Leider nehmen wir deshalb auch unbezahlte Jobs an.“