Während die Gesamtzahl der in Europa ankommenden Migranten zurückgeht, ist Griechenland seit Juli mit massiv steigenden Ankunftszahlen konfrontiert. Derzeit befinden sich mehr als 80.000 Migranten im Land, wie die Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Griechenland, Christine Nikolaidou, im Gespräch mit der APA erklärt. Rund 31.000 davon leben auf den griechischen Inseln, die Camps dort sind heillos überfüllt.

Warum die Zahlen der aus der Türkei ankommenden Flüchtlingen so in die Höhe schnellten? Griechenland sei immer ein wichtiger und "aktiver" Ankunftspunkt für Flüchtlinge gewesen, betont Nikolaidou. Der signifikante Anstieg der letzten Monate bedeute deshalb nicht unbedingt, "dass wir vor etwas Neuem stehen". Aber: "Wir beobachten das sehr genau", so die IOM-Mitarbeiterin. "Wir schauen uns die Situation an und handeln dann dementsprechend."

Ankünfte steigen massiv

Seit Juli steigen die Ankünfte massiv. Waren es in den Monaten davor noch zwischen 2000 und 2500 Migranten, die aus der Türkei nach Griechenland übersetzten, betrug die Zahl der Ankünfte im Juli 5000, im August 8000. Im September zählten die IOM und das UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) über 10.000 Migranten. Ein Großteil von ihnen kommt aus Afghanistan, erklärt Nikolaidou. Insgesamt kamen in den ersten neun Monaten des Jahres bereits mehr Migranten als im ganzen Vorjahr (2018: 32.494).

Den EU-Türkei-Deal, jenes Abkommen, dass Brüssel im März 2016 mit Ankara geschlossen hatte und das die illegale Einwanderung von Flüchtlingen über die Türkei nach Europa einschränken soll, sieht Nikolaidou trotzdem nicht als gescheitert. Er funktioniere weiterhin, denn noch immer würden weniger Flüchtende kommen als vor dem Deal, meint die Griechin pragmatisch.

Ob die türkische Militäroffensive in Nordsyrien Auswirkungen auf die Situation in Griechenland haben werde, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. "Es ist noch zu früh, um etwas zu sagen", erklärt Nikolaidou. Einige Hilfsorganisationen ebenso wie die Vereinten Nationen warnten jedoch bereits vor Massenvertreibungen und vermehrten Fluchtbewegungen.

Fokus von Inseln aufs Festland

Der Fokus von IOM sowie der griechischen Regierung liege derzeit jedenfalls darauf, bis 2020 rund 10.000 Asylsuchende von den griechischen Inseln auf das Festland zu bringen, um diese zu entlasten. Vor allem Samos und Lesbos seien derzeit besonders betroffen. Das Camp in Samos hat laut Nikolaidou eine Kapazität von 648 Personen, beherberge derzeit aber 5842 Menschen. Auch die Zahl der Bewohner des Lagers Moria auf Lesbos übersteigt dessen eigentliche Kapazität um mehr als das Vierfache.

Doch auch die Suche nach Unterkünften auf dem griechischen Festland sowie die Versorgung der Geflüchteten sei eine "Herausforderung", so Nikolaidou. Tausende neue Plätze hat die IOM in den vergangenen Monaten schon geschaffen - und auch das wird nur eine temporäre Lösung sein. "Wir glauben noch immer an die Solidarität innerhalb der EU. Relocation (Umsiedelung, Anm.) ist sicher etwas, das helfen könnte", sagt Nikolaidou.