Bis Jahresende wollte die türkis-blaue Regierung ein großes Reformpaket zum Thema Pflege schnüren, die Neuwahl unterbrach die Arbeit daran. ÖVP-Chef Sebastian Kurz will nun am Montag ein Sieben-Punkte-Programm der ÖVP dazu präsentieren: Wesentliches Element ist eine neue Pflegeversicherung, als Bestandteil der Sozialversicherung.

Diese Versicherung soll allerdings keine höheren Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit sich bringen: Die Rede ist von einer „Bündelung und Neuorganisation der bestehenden Steuern und Abgaben“.

Im Dezember des Vorjahres hatte die Regierung einen "Masterplan Pflege" beschlossen, der allerdings nur Eckpunkte enthielt: Die Pflege solle so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden stattfinden (80 Prozent der 461.000 Pflegegeldbezieher werden derzeit zu Hause gepflegt). Im Fokus sollten die pflegenden Angehörigen und qualifiziertes Pflegepersonal stehen.

"Nach Jahren des Stückwerks und Herumdokterns durch verschiedene Regierungen“ (immer mit ÖVP-Beteiligung), will die ÖVP will mit ihrem Modell nun die Pflegefrage "ein für alle Mal lösen". Zentraler Punkt ist die langfristige Finanzierung durch eine fünfte Säule der Sozialversicherung (neben Kranken-, Pensions-, Unfalls- und Arbeitslosenversicherung).

Ablehnende Reaktionen der anderen Parteien

Bei anderen Parteien und Institutionen stößt der VP-Vorschlag durch die Bank auf ablehnende Reaktionen. Weder ÖGB, der SPÖ-nahe Pensionistenverband noch der ehemalige Koalitionspartner FPÖ oder die NEOS lassen ein gutes Haar an dem Vorschlag. Eine Pflegeversicherung werde zu weiteren finanziellen Belastungen führen, so der einhellige Tenor.

Der ÖGB verlangt indes ein Gesamtkonzept und kritisiert, dass "fast
zwei Jahre zu diesem Thema seitens der alten Regierung gar nichts
passiert ist", so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. In dem ÖVP-Vorschlag ortete er "allgemeines Geschwurbel ohne Substanz".
Katzian schlug - der SPÖ-Parteilinie entsprechend - die Einführung einer "Millionärssteuer" in Österreich vor, die für die Pflege zweckgebunden sei. Dies wäre ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit und Fairness. Eine weitere Belastung der Arbeitskosten hält der ÖGB für genauso falsch, wie den Arbeitnehmern vorzuschreiben, dass sie sich für die Pflege privat versichern müssen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verweist auf ein "umfassendes, nachhaltiges Pflegekonzept" ihrer Partei als Alternative, das "eine kostenfreie, staatlich finanzierte Pflege vorsehe und sofort umsetzbar" sei.

Ablehnung kommt auch vom ehemaligen Koalitionspartner FPÖ. Die Volkspartei verlasse damit den Pfad der Steuer- und Abgabenreform, so FPÖ-Chef und Klubobmann Norbert Hofer. Am Ende komme eine zusätzliche Pflichtversicherung und damit "schon wieder eine Mehrbelastung für alle Steuerzahler und Sozialversicherten" heraus. Stattdessen wäre es aber möglich, "ein nachhaltiges Pflegesicherungskonzept aus dem System zu finanzieren", argumentierte Hofer und schlug die Schaffung einer Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung vor. Denn das derzeitige System in Österreich nutze vor allem weibliches Pflegepersonal aus osteuropäischen Staaten aus. Es sei notwendig, die 24-Stunden-Pflege in Österreich neu und vor allem anders zu organisieren.

Die NEOS sahen im ÖVP-Vorschlag den Versuch, das Pferd von hinten
zu zäumen. "Die Herausforderungen im Bereich der Pflege werden nicht dadurch gelöst, indem man zuerst über Finanzierung spricht", meinte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Vielmehr brauche es ein fundiertes Pflegekonzept. Erst danach könne man seriös über die Finanzierung sprechen. Als Problem machte Loacker aus, dass die Struktur der Pflege in Österreich immer noch von Bundesland zu
Bundesland unterschiedlich hoch ist. "Soll die Qualität der Pflege
auch in Zukunft von der Postleitzahl abhängen?", kritisiert Loacker.
Darauf gebe Kurz keine Antwort.