Seit bald zwei Wochen ist Brigitte Bierlein Bundeskanzlerin, bisher hatte sie sich jeglichem Medienkontakt entzogen: keine Pressekonferenz, kein Pressegespräch, kein Interview. Schon als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs suchte sie nicht wirklich den Kontakt zu den Medien. Im Unterschied zu ihrem Vorgänger ging sie weder in die ORF-Pressestunden noch in die Zib2.

Im Ö1-Morgenjournal erklärte Brigitte Bierlein Freitagfrüh, sie wolle mehr verwalten als gestalten, allerdings: "Parlamentsbeschlüsse werden umgesetzt."

In Bezug auf die europapolitische Dimension des Amtes fragte der Ö1-Journalist: "Kennen Sie sich da aus?" Bierleins Antwort: "Ich habe gute Experten im Team." Sie habe sich natürlich entsprechend kundig gemacht. Außerdem: "Auch der Außenminister ist mit in Brüssel, und wir sind ein gutes Team." Bei wichtigen Entscheidungen über die EU-Finanzen hoffe sie "auf Konsens". 

Letztlich stellte die Bundeskanzlerin unumwunden klar: "Ich bin natürlich keine Politikerin und möchte das auch nicht sein."

Keine großen Personalentscheidungen

Bundeskanzlerin Bierlein will Personalentscheidungen über hochrangige Positionen nach Möglichkeit der nächsten Bundesregierung überlassen. Dies könnte etwa die Statistik Austria betreffen. Bei der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht stehen hingegen keine wichtigen Personalentscheidungen an.

"Wir werden Personalentscheidungen treffen, die nötig sind. Wir haben uns vorgenommen, sehr hohe Positionen nach Möglichkeit der nächsten Regierung zu überlassen", sagte Bierlein im Interview mit Ö1 am Freitag. Das trifft aller Voraussicht nach auch auf die anstehenden Personalentscheidungen bei der Statistik Austria zu, wurde im Bundeskanzleramt gegenüber der APA bekräftigt. Unter Umständen könnten Verträge auch einfach vorerst um ein halbes Jahr verlängert werden, so Bierlein auf eine entsprechende Nachfrage des ORF Radio.

Die Verträge des fachstatistischen Generaldirektors Konrad Pesendorfer und der kaufmännischen Generaldirektorin Gabriela Petrovic laufen mit Jahresende aus. Beide Funktionen sind durch den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin auf die Dauer von bis zu fünf Jahren zu bestellen. Im Bundeskanzleramt verwies man darauf, dass die Ausschreibung laut Stellenbesetzungsgesetz zwar möglichst sechs Monate vor, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Freiwerden der Stelle zu erfolgen hat. Sie könnte also auch erst Ende Jänner 2020 erfolgen.

Bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) gibt es keine offenen Personalentscheidungen, mit denen sich die Regierung von Kanzlerin Bierlein in den nächsten Monaten befassen müsste, erklärt OeNB-Sprecher Christian Gutlederer zur APA. Die neuen Direktoriumsmitglieder seien bereits von der vorigen, türkis-blauen Regierung bestellt und vom Bundespräsidenten per Dekret ernannt worden.

"Überrascht" von Flut an Anträgen

Schon am Donnerstagabend stellte sich Brigitte Bierlein den Medien. ORF-Moderatorin Lou Lorenz Dittlbacher kündigte schon in den Abendstunden via Twitter an, dass Bierlein zu Gast in der Zib2 sei.

Im Zib2-Interview zeigte sich Bierlein über die Antragsflut im Nationalrat der vergangenen Tage "überrascht". "Natürlich war ich etwas überrascht über die Vielzahl von Entschließungsanträgen und Beschlussfassungen, aber das ist lebendige Demokratie." Auf die Frage, ob sie positive oder negativ überrascht war, wich Bierlein aus: "Ich war überrascht", wiederholte sie.

Auch hinsichtlich der anstehenden Entscheidungen über den EU-Kommissionspräsidenten sowie des österreichischen EU-Kommissars blieb Bierlein vage. "Ich werde in enger Absprache mit den Parlamentariern handeln", so die Übergangskanzlerin. Gefragt, ob etwa der amtierende Johannes Hahn (ÖVP) EU-Kommissar bleiben könnte, sagte sie, sie bitte um Verständnis, auch diese Frage derzeit "nicht beantworten zu können oder wollen".

"Ich war nie bei einer politischen Partei"

Bierlein erklärte im Interview, dass sie keiner politischen Partei angehöre. Sie verstehe sich nicht als "role-model" für Frauen, es sei ihr aber wichtig gewesen, eine Regierung zusammengestellt zu haben, die über gleich viele Männer wie Frauen verfügt. Aus ihrer Sicht stehe der "Rechtsstaat in Österreich auf einem sehr festen Fundament. Ich sehe keine Gefahr für den Rechtsstaat."