Im Gedicht des blauen Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher wird auf das Übelste über Migranten hergezogen sowie über das Bekenntnis zur eigenen Heimat und die "Vermischung" von Kulturen und Sprachen gereimt. Die ÖVP, allen voran Kanzler Sebastian Kurz, fordert eine Distanzierung der oberösterreichischen Freiheitlichen und nennt das Gedicht "widerlich".

Ausgerechnet beim Landesparteitag der FPÖ in Oberösterreich hatte FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zuletzt seine Abgrenzung zu den rechtsextremen Identitären betont, und dem auch noch ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Demokratie folgen lassen

Warum kommt es trotzdem immer wieder zu braunen Rülpsern von Funktionären aus den eigenen Reihen, warum glauben diese offenbar auch immer noch, Rückendeckung von ihrer Parteiführung zu erfahren?

Keine Konsequenzen

„Kein einziger FPÖ-Politiker wurde bislang allein aufgrund eines Naheverhältnisses zu den 'Identitären' aus der Partei ausgeschlossen, kein einziger Mitarbeiter deshalb aus einem Ministerium entlassen und noch keine einzige Unterstützung für ein 'Identitären'-nahes Medium eingestellt. Im Gegenteil, Politiker, die ein enges Naheverhältnis zu den 'Identitären' pflegen, wurden in der politischen Hierarchie der FPÖ teilweise sogar nach oben befördert“, kritisiert SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak kürzlich in einem Dossier, das die Nahebeziehungen zwischen FPÖ und Identitären dokumentiert.

Die Identitären sind ein Schlüsselbegriff für die Frage, ob sich die Freiheitlichen mit ihren Inhalten und Kontakten innerhalb oder außerhalb des zulässigen Rahmens bewegen, denn ihre Überzeugungen decken sich mit den Inhalten der freiheitlichen Grenzgänger. Und der Umgang mit Sympathisanten aus den Reihen den Identitären ist meist nicht anders als das Regime der Konsequenzen für die eigenen Funktionäre - nur im Ausnahmefall, nur dann, wenn es gar nicht mehr anders geht, wird reagiert.

Identität und Islamisierung

Die Identitären gehen von einer geschlossenen, ethnisch homogenen „europäischen Kultur“ aus, deren „Identität“ vor allem von einer „Islamisierung“ bedroht sei. Fachleute beschreiben solche Vorstellungen als „Rassismus ohne Rassen“ und ordnen Gruppen, die so denken, dem Rechtsextremismus zu.

„Ich erwarte mir, dass es keine Verflechtungen mit den Identitären gibt“, erklärte Kanzler Kurz vor wenigen Wochen, um dem hinzuzufügen: „Der Vizekanzler hat mit versichert, dass sich beides nicht ausgeht: FPÖ und Identitäre.“ Strache betonte, es gebe „keine finanziellen wie auch organisatorischen Verschränkungen“, und verwies auf den Beschluss des Parteivorstands, „wo wir klar sagen, wer bei den Identitären aktiv ist, der kann bei uns keine Funktion und kein Mandat innehaben“.

Identitäre und FPÖ

Aber wie ist es um die Inhalte bestellt?

Vizekanzler Heinz-Christian Straches Leitspruch ist: "Stoppen wir gemeinsam die Islamisierung Österreichs!" Sogar Weihnachtsmärkte, die aussehen "wie eine muslimische Zeltstadt" sind dem obersten Freiheitlichen emotionale Postings wert, die eine Vielzahl weiterer Postings generieren.

FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus kolportiert "stichhaltige Gerüchte", wonach US-Milliardär George Soros daran beteiligt sei, "Migrantenströme nach Europa zu unterstützen" und zieht gegen Hilfsorganisationen vom Leder, die "für die Massenmigration nach Europa mitverantwortlich" seien.

Der zweite Klubobmann Walter Rosenkranz hat die Identitären als "Gruppen junger Aktivisten" kennengelernt, die er bis vor kurzem für "durchaus erfrischend" hielt und verteidigt das Engagement von Freiheitlichen für einschlägige Plattformen als "journalistische Freiheit".

Fünf Landesparteiobleute der FPÖ schießen sich auf den unabhängigen Justizminister Josef Moser ein, weil dieser die Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorschriften bei Abschiebungen verteidigt.

Lippenbekenntnisse und Realität

Liedersänger Udo Landbauer kehrte nach einer kurzen Periode der Enthaltsamkeit unbeschadet wieder auf die politische Bühne zurück. Ratten-Dichter Christian Schilcher wird nach menschlichem Ermessen Vizebürgermeister von Braunau bleiben, auch wenn ihn die Landespartei gestern dazu zwang, sich für den "unglücklichen Vergleich" mit Ratten und für die "zu wenig präzis durchdachten Formulierungen" zu entschuldigen.

Damit sind wir wieder beim Befund, wonach es zwar Lippenbekenntnisse gibt, die der Regierungsbeteiligung der FPÖ und dem Erhalt des Koalitionsfriedens mit der ÖVP geschuldet sind, aber keine Konsequenzen für irrlichternde fremdenfeindliche und rechtsextreme Elementen.

Selbsterkenntnis und Läuterung sehen anders aus. Der türkise Kanzler Kurz wird die Geister, die er mit dem blauen Partner rief, so schnell nicht los.