Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwoch einmal mehr auf eine klare Abgrenzung von den Identitären gepocht. Auch Kabinettsmitarbeiter dürften aus seiner Sicht nicht bei der Bewegung aktiv sein, stellte er im Pressefoyer nach dem Ministerrat klar. Die Änderung der Berichtspflicht der Nachrichtendienste soll bis Sommer "auf den Weg gebracht" werden.

"Rechtsextremismus darf keinen Platz in einer politischen Partei haben, egal in welcher Partei", betonte Kurz. Identitären-Sprecher Martin Sellner verbreite eine "Ideologie, die sehr bedenklich ist" und die Identitären seien in der Vergangenheit auch immer wieder damit aufgefallen, dass sie sich gewaltbereit gezeigt hätten. "Insofern erwarte ich mir, dass es keine Verflechtungen mit politischen Parteien, auch nicht dem Koalitionspartner, gibt", sagte Kurz.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) verwies einmal mehr darauf, dass es einen Beschluss des Parteivorstands gebe, "wo wir klar sagen, wer bei den Identitären aktiv ist, der kann bei uns keine Funktion und kein Mandat innehaben". Seit es diesen Beschluss gebe, habe es auch ein paar klärende Gespräche gegeben. "Da hat sich der eine oder andere Bezirksrat klar für die FPÖ entschieden", sagte Strache.

Dieser Beschluss müsse aus seiner Sicht genauso für "politische Mitarbeiter" Gültigkeit haben, forderte Kurz. "Das werden wir sehr genau beobachten." Die Kabinettsmitarbeiter seien alle "sicherheitsüberprüft", versicherte Strache, das geschehe aber strafrechtlich und nicht ideologisch.

Rote Linie

Andere Arten der Sympathiebekundungen, also etwa die Teilnahme an Veranstaltung der Identitären, könne er seinen Mitgliedern "natürlich nicht verbieten." Als rote Linie bezeichnete Strache, dass "der Boden der Rechtstaatlichkeit" nicht verlassen werden dürfe.

"Die Identitären sind ein Verein, der nichts mit der FPÖ zu tun hat. Es gibt keine finanziellen und organisatorischen Verschränkungen", versicherte Strache. Er forderte allerdings mehr "Sachlichkeit" im Umgang mit dem Thema ein: "Aufgeregtheit begegnet man am besten mit Sachlichkeit" - das habe er selbst auch erst "in einem gewissen Alter erreicht". Kurz, der sich offenbar angesprochen fühlte, konterte: "Ich glaube, wie man die Identitären sieht, ist keine Altersfrage, die kann man widerlich finden, egal wie alt man ist." Strache beeilte sich aber klarzustellen, dass er nicht Kurz - der ja "viel ruhiger" als er sei - sondern sein eigens jüngeres Ich gemeint habe.

Die Änderung der Berichtspflicht der Nachrichtendienste will Kurz "bis Sommer" umsetzen. Künftig sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das Abwehramt und das Heeresnachrichtenamt, die dem Verteidigungs- bzw. dem Innenministerium unterstehen, auch an Kanzler und Vizekanzler Informationen weitergeben. Kurz hatte in Reaktion auf die Verbindungen des Christchurch-Attentäters nach Österreich und zu den Identitären bereits vergangene Woche angekündigt, dass die schon länger geplante Maßnahme nun rasch umgesetzt werden soll.

Hüftschüsse

Strache bekräftigte am Mittwoch, dass es bei dieser verfassungsrechtlich heiklen Materie keinen "Hüftschuss geben dürfe. "Wir arbeiten in aller Ruhe an einem Gesetz." Er wundere sich darüber wie die Berichterstattung zum Thema abgelaufen sei, meinte Strache. Denn bereits im Regierungsprogramm sei "klar und deutlich" festgeschrieben worden, die Berichtspflichten dahingehend zu reformieren, "dass wir diesen Informationsfluss erhalten", sagte Strache. "Was daran überraschend sein soll, ist nicht nachvollziehbar." Ziel sei, dass auch Kanzler und Vizekanzler vom BVT informiert werden. "Das wird dann hoffentlich rund um den Sommer möglich sein", so Strache.

Kurz berichtete auch über den Ermittlungsstand zu den Verbindungen des Christchurch-Attentäters nach Österreich sowie in Bezug auf die Prüfung der Vereinsauflösung der Identitären. "Wir wissen mittlerweile mit Sicherheit, dass der Attentäter sehr viel in der Welt unterwegs war." In Summe sei er in rund 60 Ländern gewesen, davon in 20 aus der Europäischen Union. Dass bzw. ob er dort Kontakte mit rechtsextremen Kräften gepflegt oder ob es sich um "touristische" Reisen gehandelt habe, dazu gebe es noch keine Hinweise. Auch dafür, ob es über die Spende an die österreichischen Identitären hinaus einen "intensivieren Austausch" gegeben habe, gebe es noch keine Beweise.

Die NEOS sehen bei der FPÖ den Versuch, die geplante Ausweitung der Berichtspflichten der Nachrichtendienste zu verzögern. Der pinke Vize-Klubobmann Niki Scherak kündigte daher gegenüber der APA am Mittwoch einen konkreten Gesetzesvorschlag an, um der Regierung auf die Sprünge zu helfen.

Der einzige Grund, warum Vizekanzler Heinz-Christian Strache hier auf der Bremse stehe, "ist, dass er möglicherweise Angst davor hat zu erfahren, wie eng die Identitären mit Mitgliedern und Funktionären der FPÖ verbandelt sind", sagte Scherak. Von einem "Hüftschuss", wie von Strache befürchtet, könne keine Rede sein.

Bundesministeriumsgesetz

Die Vorarbeiten seien schon geleistet und im Bundesministeriumsgesetz verankert worden. Es brauche nur noch kleine einfachgesetzliche Änderungen, damit dieser Teil des Regierungsprogramms in Kraft treten kann. "Wir werden hier aber gerne in Vorlage gehen und diese beiden Gesetzesänderungen per Initiativantrag einbringen. Damit wir sicherstellen, dass die Regierung nicht nur bei salbungsvollen Worten bleibt, sondern diese Ankündigungen auch endlich einmal umgesetzt werden."

Die SPÖ warnte die ÖVP am Mittwoch neuerlich vor den Verbindungen der FPÖ zu den Identitären und forderte den Rausschmiss von Innenminister Herbert Kickl (ÖVP) aus der Regierung. "Die Verbindungen zwischen der Regierungspartei FPÖ und den Identitären sind eindeutig. Kanzler Kurz muss endlich seine Verantwortung wahrnehmen und FPÖ-Innenminister Kickl aus der Regierung entfernen", sagte SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried in einer Aussendung.