Die ÖVP unterstützte den vorliegenden Kompromiss mit Uploadfiltern und Leistungsschutzrecht. Die SPÖ und die Grünen stimmten bei der Abstimmung am Dienstag in Straßburg dagegen, die FPÖ enthielt sich. Mit einer Mehrheit von 348 Abgeordneten-Stimmen passierte der Entwurf schließlich das EU-Parlament.

Kultur- und Medienminister Gernot Blümel hat die Annahme der umstrittenen EU-Urheberrechtsreform im Europaparlament begrüßt. Der Beschluss sei "ein guter Tag für Europa", weil mit der Richtlinie "ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit gesetzt" werde.

Auf Augenhöhe mit Online-Giganten

"Europa muss auf Augenhöhe im Wettbewerb mit den Online-Giganten kommen. Dazu ist die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung", betonte Blümel. Fairer Wettbewerb und Grundprinzipien müssten für alle gelten, "auch im digitalen Raum". " Wir müssen aufhören, die analoge und digitale Welt getrennt zu denken. Was in der analogen Welt gilt, muss auch in der digitalen gelten."

"Die Freiheit des Internets kommt durch die neue Richtlinie nicht in Gefahr", sagte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Auch für die User würde sich nichts ändern, außer dass nicht sie, sondern Plattformen für Urheberrechtsverletzungen haftbar seien. Zur Umsetzung der Richtlinie bereite die politische Akademie der ÖVP einen Dialog mit allen Akteuren vor, sagte Karas.

SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner sagte, die SPÖ lehne sowohl Uploadfilter als auch das Leistungsschutzrecht in der vorgeschlagenen Form ab. Ziel sollte eine faire und angemessene Vergütung für Kulturschaffende sein. Es sei denkbar, dass die Richtlinie in einer zweiten Lesung weiter verhandelt werden müsse.

Emotionale Debatte

Kurz vor der Abstimmung über die Reform des Urheberrechts haben sich Gegner und Befürworter des Vorhabens im Europaparlament am Dienstagvormittag heftige Wortgefechte geliefert. An die fünf Millionen Bürger hätten eine Petition gegen die geplanten Uploadfilter demonstriert, sagte Julia Reda von der Piratenpartei, eine Worführerin der Reform-Gegner. 

Reda verwies auch auf einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) über einen möglichen Tauschhandel zwischen Deutschland und Frankreich: Demnach soll Berlin die von Paris gewünschte Reform des Urheberrechts unterstützt haben. Im Gegenzug soll Frankreich zugesagt haben, Deutschland beim Streit über die Nordstream-2-Gaspipeline zu unterstützen.

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley sei gegen die Uploadfilter, betonte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Sie habe sich aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beugen müssen, die "einen Deal mit Frankreich geschlossen hat." Bei der Debatte gehe es längst nicht mehr um das Urheberrecht. Es gehe vielmehr um den Umgang mit Demokratie. Die EU-Kommission habe die Teilnehmer an den Demonstrationen verunglimpft. Zudem sei das Gerücht gestreut worden, dass Demonstranten von den Internet-Giganten gezahlt wurden.

Der Berichterstatter des Parlaments, Axel Voss (CSU), wies die Kritik an der geplanten Reform zurück. Sie betreffe nur große Plattformen, die "viel Geld" verdienten. Ziel der Reform sei es, eine Balance zwischen den Interessen der Kreativen und der Meinungsfreiheit zu schaffen. Es werde keine "Zensur" geben.

"Demokratie in Gefahr"

Es gehe darum, Internet-Riesen wie Google, Facebook oder YouTube zur Verantwortung zu ziehen, sagte der französische Liberale Jean-Marie Cavada. Die wirtschaftliche Lage der Presse sei katastrophal. Mit der Presse sei "ein Teil der Demokratie in Gefahr". Die geplante Reform sei "die einzige Chance", die Zukunft von Kreativen zu schützen.

Wer gegen die Reform stimme, stimme dafür, dass "Kunst wieder eine brotlose Kunst wird", warnte die CDU-Abgeordnete Sabine Verheyen. "Wer davon profitiert, das sind die Internet-Giganten". Kreative in Europa müssten von ihrer Arbeit leben können, betonte auch die EU-Kommissarin für Digitalwirtschaft, Maria Gabriel.

Was bedeutet die Einigung, die fast jeden Internetnutzer betrifft? Und warum ist sie so umstritten? Fragen und Antworten im Überblick:

Warum ist das Thema so brisant?

Im Zentrum der Diskussion standen vor allem zwei Dinge: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und die Einführung sogenannter Upload-Filter. Es ging nach Einschätzung der Kritiker um nichts weniger als die Zukunft des Internets in seiner heutigen Form. Die Einigung berge die Gefahr, "das Internet, wie wir es kennen, ausschließlich in die Hände der Technologie- und Medienriesen zu legen", sagte die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda. Rund fünf Millionen Menschen unterschrieben eine Petition, die sich gegen Teile der Reform richtet. Von allen Seiten wurde versucht, Einfluss auf das Vorhaben zu nehmen. Google, aber auch Wikipedia und Digitalverbände stemmten sich dagegen, Presseverlage, Medienunternehmen und Start-ups sprachen sich vehement dafür aus.

Was soll die Reform überhaupt bringen?

Als die EU-Kommission 2016 den Vorschlag für neue Regeln machte, wollte sie das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen. "Ich möchte, dass Journalisten, Verleger und sonstige Urheber eine faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Denn Zeitungsverlage, Autoren, Plattenfirmen und andere Rechte-Inhaber erstellen unter teils großem Aufwand Inhalte, die online verbreitet werden - verdienen daran mitunter aber wenig.

Wie sieht die Einigung nun aus?

Zum einen sollen Zeitungsverlage und Autoren mehr für ihre Inhalte bekommen. Suchmaschinen wie Google dürfen nicht mehr ohne weiteres kleine Artikel-Ausschnitte in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Vielmehr sollen sie die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen.

Zum anderen werden Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht genommen. Geschützte Werke müssen lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürfen nicht hochgeladen werden. Startups sind ausgenommen. Dies gilt für Firmen, die jünger als drei Jahre alt sind, einen Jahresumsatz von unter zehn Millionen Euro und weniger als fünf Millionen Besucher pro Monat haben.

Was sagen die Kritiker?

Die Hauptkritik entzündet sich am früheren "Artikel 13" der Richtlinie, dessen Bestimmungen sich inzwischen allerdings in Artikel 17 finden. Demnach müssen die Plattformbetreiber verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Werke auf ihren Seiten zugänglich sind, und sind bei Verstößen haftbar. Die Reform schreibt die umstrittenen Uploadfilter nicht vor. Angesichts der zu überprüfenden Datenmengen dürften sie aber kaum zu verhindern sein. Sie sollen urheberrechtlich geschützte Texte, Bilder oder Audiodateien schon beim Hochladen blockieren. Einige Plattformen nutzen schon jetzt Filter, müssten diese aber deutlich ausweiten.

Axel Voss, der die Verhandlungen für das Parlament führte, betonte, die Einigung habe "nichts mit 'Filtern' zu tun, wie das von manchen Unterstützern rechtsfreier Räume im Internet propagiert wird".

Gegner des Leistungsschutzrechts sehen Nachteile für Verlage. Diese seien darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden, und hätten daher eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Google & Co. Zudem verweisen sie auf Deutschland: Hier gibt es schon seit 2013 ein Leistungsschutzrecht - doch es führt nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage.

Was ist mit Memes und GIFs?

Ein satirischer und kreativer Umgang mit Texten, Bildern und Audiodateien würde Kritikern zufolge behindert - etwa bei so genannten Internet-Memes, bei denen Netzinhalte satirisch verändert und verbreitet werden. Dem Europaparlament zufolge wären Mitgliedstaaten durch die Reform verpflichtet, das kostenlose Hochladen "von Teilen von Werken zum Zitieren, zur Äußerung von Kritik, für Rezensionen, für Karikaturen, Parodien oder Persiflagen" zu schützen. Dies umfasse auch Memes und bewegte Bilder im GIF-Format.

Was passiert, wenn das Parlament den Kompromiss ablehnt oder abändert?

Änderungsanträge sind bei der Abstimmung möglich. Würde ein solcher angenommen, müssten die EU-Staaten entscheiden, ob sie diesem zustimmen. Wenn nicht, wäre die Reform vor den Europawahlen im Mai wohl gescheitert. Parlamentsexperten halten einen neuen Anlauf dann erst in einigen Jahren für wahrscheinlich - wenn überhaupt.

Wann tritt die Reform bei Annahme in Kraft?

Geht der Kompromiss durch, muss die Richtlinie von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür sind zwei Jahre vorgesehen - also bis 2021.