Mit einem Redaktionsbesuch bei der „Washington Post“ ging gestern die Amerikareise von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Ende. In der morgigen Wochenendausgabe des renommierten Blattes soll ein großflächiges Porträt über jenen österreichischen Politiker erscheinen, dessen Jugendlichkeit beim Empfang im Weißen Haus die Neugier des US-Präsidenten Donald Trump und darüber hinaus seiner halben Führungsriege geweckt hatte.

Einmal kurz Kurz schauen, gleichsam als exotischer Reiz: So oder so ähnlich könnte die Devise der amerikanischen Gesprächsdelegation gelautet haben. Bekanntlich schlossen sich dieser neben Trump auch der Vizepräsident Mike Pence, der nationale Sicherheitsberater John Bolton sowie der Außenminister Mike Pompeo und Energieminister Rick Perry an. „So eine Anerkennung bekommen Regenten kleiner Länder fast nie, höchstens der Premier Irlands im Vorfeld des St. Patrick's Day“, schrieb gestern die „New York Times“. Donald Trump habe mit dem Treffen „einen politischen Seelenverwandten“ kultiviert, von einem Kontinent, den er sich sonst oft zum Feind gemacht habe.

Kaum Widerhall in anderen Zeitungen

In den anderen amerikanischen Tageszeitungen fand der Besuch hingegen kaum Widerhall. Da rückte Österreich wieder unter die Wahrnehmungsschwelle. Zwar wurde auf den Online-Portalen das zehnminütige Ritual mit den sogenannten „Shout-outs“, den hinausgerufenen Fragen, aus dem Oval Office zeitversetzt übertragen, aber da war der Gast aus Wien im blauen Anzug über weite Strecken unbeteiligter Zuhörer: Die Themen kreisten um den Korea-Gipfel und die amerikanische Innenpolitik. Auch auf Trumps Twitterkanal blieb die Visite unerwähnt.

Den Bundeskanzler focht all das nicht an. Seine Echokammer war das ferne Österreich, dort sollten die Bilder, Blogs und Videos ihre volle Wirkung entfalten und sich über die bleierne Karfreitagsdebatte legen. Ein 20-köpfiger Medientross überbot sich im multimedialen Echtzeit-Exzess, und das hieß: vorne das Reportergesicht und im Hintergrund die Kulisse des Weißen Hauses. Auf dem Bildmaterial der PR- und Social-Media-Profis des Bundeskanzleramtes ist der Regierungschef stets mit aktiver Handgestik zu bestaunen: Es gibt Fotos, die so wirken, als erkläre Kurz dem US-Präsidenten die Bilder an der Wand im Weißen Haus. Und auch tags darauf weist der Kanzler im Gebäude des Internationalen Währungsfonds der Präsidentin und Gastgeberin Christine Lagarde freundlich den Weg. Ein ähnliches Szenario folgt bei der Weltbank mit ihrer Interimspräsidentin Kristalina Georgiewa. Man muss schon genau hinschauen, um das Raffinement zu erkennen.

Der Morgen nach dem Dinner

Es ist der Morgen nach dem privaten Hühnersuppe-Sacher-Dinner bei der Präsidententochter Ivanka Trump und ihrem einflussreichen Ehemann Jared Kushner. Fotografen waren nicht erbeten, also besorgten private Handyfotos die Verbreitung des exklusiven Treffens. Alle mitgereisten Medienvertreter hatten die Bilder zum Frühstück auf ihrem Mail-Account. Der Kanzler war am Tag der Tage kurz vor Mitternacht unter den Letzten an der Hotelbar in der US-Hauptstadt, aber schon um halb sieben Uhr früh setzte er in seiner Hotel-Suite den Interview-Reigen fort, diesmal mit deutschen Fernsehstationen. Mit seiner Aussage, aus dem Gespräch mit Donald Trump sei für ihn klar geworden, dass es der US-Präsident auf Deutschland abgesehen habe, stimulierte der Kanzler das Interesse der deutschen Korrespondenten. Sebastian Kurz war auch auf den Portalen des Nachbarlandes das dominante Thema.

Und dann war da noch der Kollege von „Bild“, der größten deutschen Boulevardzeitung, ein guter Bekannter des österreichischen Kanzlers. Er machte aus dem Arbeitsbesuch eine flotte Anti-Merkel-Story. Genüsslich kontrastierte der Autor die freundliche Zugewandtheit der Amerikaner am Vortag mit dem frostigen Klima bei Angela Merkels Visite vor zwei Jahren, als Trump sich weigerte, der deutschen Kanzlerin für das Foto die Hand zu reichen. So bildete auch diese gallige Geschichte an die Adresse der Deutschen die willkommene und krönende Abrundung eines perfekt in Szene gesetzten PR-Coups. Auf einen größeren, spektakuläreren kann Sebastian Kurz mit 32 Jahren nicht zurückblicken.