Eine nicht unbedeutende Weichenstellung wurde vergangene Woche getroffen: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigte an, er werde nicht bei den Wiener Landtags -und Gemeinderatswahlen im Jahr 2020 kandidieren. Wenige Tage später bekräftigte die rechte Hand von Kanzler Sebastian Kurz, Kultur- und Kanzleramtsminister Gernot Blümeler trete an.

Es ist eine bemerkenswerte Übereinkunft, die erklärt, warum die türkise Kanzlerpartei dem blauen Junior so viel durchgehen lässt und auch bei grenzwertigen Sagern cool bleibt: Es geht ums Ganze, um die Macht, nicht nur in der Bundesregierung sondern auch in der Bundeshauptstadt, im traditionell roten Wien. Und da braucht man die FPÖ.

Die FPÖ wiederum scheint sich einer Erkenntnis gefügt zu haben: Um der SPÖ den roten Chefsessel in der Bundeshauptstadt streitig zu machen, reicht es nicht, eine markige blaue Kampfansage zu  machen. Erst recht nicht in Zeiten einer türkis-blauen Mehrheit im Parlament, die den Wähler vermutlich eher dazu veranlassen wird, ein Gegengewicht herstellen zu wollen als die FPÖ zu stärken.

Dazu kommt, dass radikale Töne von Leuten wie Johann Gudenus zwar nicht nur den rechten Rand ansprechen sondern auch anderen ganz gut gefallen, einer breiten Mitte aber auch Angst machen.

Der ehemalige Wiener Vizebürgermeister und Stadtrat (ohne Portfeuille) in Wien, Johann Gudenus, ist als geschäftsführender Klubobmann im Parlament an der Seite von Walter Rosenkranz der Mann fürs Grobe in der FPÖ - soweit die Kanzlerpartei dieses Grobe eben zulässt.

FPÖ gibt Flankenschutz

Gudenus gefällt sich in dieser Rolle gut. Der Anspruch auf das Bürgermeisteramt in Wien - womöglich verbunden mit einer Niederlage gegenüber der SPÖ, die als nunmehrige Oppositionspartei mit Michael Ludwig in Wien und Pamela Rendi-Wagner im Bund an der Spitze viel angriffiger agieren kann und diesen Bonus auch nützen wird - dürfte dem ansonsten durchaus ehrgeizigen Gudenus ebenso wenig reizvoll erscheinen wie Strache selbst. Er widmet sich also notgedrungen der Aufgabe, politischen Flankenschutz zu bieten, etwa mit der jüngsten Ankündigung, dass es bis Mitte 2019 zu einem Gesetz gegen den politischen Islam kommen müsse.

Strache hätte als Spitzenkandidat in Wien eher etwas zu verlieren als etwas zu gewinnen. Der Hut als Vizekanzler steht ihm auch in den eigenen Augen vermutlich besser.  Gudenus wiederum dürfte durchaus mit der Rolle als Vizebürgermeister liebäugeln - diesmal mit Portfeuille und innerhalb einer türkis-blauen Stadtregierung wesentlich mächtiger als in den Jahren 2015 - 1017 mit Michael Häupl als Bürgermeister in Wien.

Der nette Herr Blümel

Der nette Herr Blümel hingegen, Jahrgang 1981 und damit nur fünf Jahre älter als Kurz, ist  seinem Parteiobmann in Sachen Schwiegersohn-Image durchaus ebenbürtig. Gleichzeitig ist der Chef der Wiener ÖVP im innerparteilichen Kräftespiel der Stratege der Macht an Kurz' Seite. Politisch sind es diese beiden, die Regie führen im Kabinett Kurz, und die Machtergreifung in Wien gehört mit zum Plan.

Das Match ist noch lange nicht gewonnen, aber der Umstand, dass man die FPÖ dazu überreden konnte, mit einem Mann oder einer Frau aus der zweiten Reihe auf den Kampf um das Bürgermeisteramt zu verzichten, ist ein erster Schritt. Man wird sich als blauen Spitzenkandidaten jemanden leisten, der eine angriffige Linie fährt und am rechten Rand schrammt, als Vizebürgermeister aber zu zähmen ist. Ob Johann Gudenus den Türkisen diesbezüglich "satisfaktionsfähig" erscheint, wird sich noch zeigen.

Gernot Blümel kann im Jahr 2020 auf immerhin drei Jahre  Regierungserfahrung im Bund und zwei Jahre in Wien zurückblicken. Gudenus kennt er gut - die beiden saßen 2015 - 2017 Seite an Seite in der Wiener Stadtregierung. Damals in der Opposition.

Derzeit regiert rot-grün. Die türkis-blaue Machtübernahme ist ein ambitioniertes Projekt. Die ÖVP startet mit nur knapp über 9 Prozent Stimmenanteil bei der Wahl im Jahr 2015 als viertstärkste Partei in die Wahl.

SPÖ wird sich warm anziehen müssen

Trotzdem werden sich Michael Ludwig und seine Genossinnen und Genossen warm anziehen müssen. Zwar liegen er und seine SPÖ in Umfragen unangefochten voran, aber zusammengerechnet liegen ÖVP und FPÖ schon jetzt vor Rot und Grün, und der Regierungsbonus ließ die Wiener ÖVP bereits auf das Doppelte hochschnellen.

Mit der Machtübernahme im Bund legten Kurz und Blümel ihre stragische Gesellenprüfung ab. Die Wiederholung des Coups in Wien wäre ein Meisterstück.