Ausgerechnet beim selbst gewählten Hauptthema Außengrenzschutz blieb dem österreichischen EU-Vorsitz der große Durchbruch versagt. Die rasche Aufstockung auf 10.000 EU-Grenzschützer gelang nicht, zumindest arbeitet Frontex nun mit afrikanischen Staaten zusammen. Der EU-Vorsitz arbeitete viele Dossiers ab. In Erinnerung bleibt der Brexit, bei dem der Vorsitz nicht die zentrale Rolle spielte.

Zu den abgearbeiteten Brocken zählen etwa das 35-prozentige CO2-Reduktionsziel bei neuen Pkw, das Verkehrspaket mit Ruhezeiten für Lkw-Fahrer und neuen Kabotage-Regeln, die Einigung auf die EU-Arbeitsagentur, die Ausrichtung der künftigen Forschungsförderung, kürzere Verfahren bei Kindesentführungen und eine ermäßigte Mehrwertsteuer auf elektronische Publikationen.

Keine Einigung bei Digitalsteuer

Keine Einigung gab es dagegen bei der angestrebten Digitalsteuer für Internet-Konzerne. Auch die ursprünglich breit angelegte Finanztransaktionssteuer ist praktisch vom Tisch, allenfalls kommt später noch eine abgespeckte Aktiensteuer. Letztlich hängt der Erfolg einer Ratspräsidentschaft immer auch von der Kompromissbereitschaft anderer EU-Staaten ab. Wenn man es auf den Punkt bringen will: Österreich hat die Pflicht in seiner dritten EU-Ratspräsidentschaft gut erfüllt, auch aufgrund einer professionellen Verwaltung.

Auch bei der Großbaustelle EU-Finanzrahmen leistete ein erfahrener Beamtenapparat in Brüssel gute Arbeit. Dass die Zeit für eine Einigung unter dem Vorsitz noch nicht reif war, stand bereits vorher fest. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lobte, der EU-Vorsitz habe hier so rasch wie kein anderer gearbeitet.

"Enttäuscht" zeigte sich Juncker aber von der fehlenden personellen Frontex-Aufstockung. "Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, dass man über Jahre und nicht nur in Sonntagsreden (...) immer wieder einem stärkeren Grenzschutz das Wort redet, und wenn dann der Vorschlag kommt, kriegt man kalte Füße und verweist auf nationale Souveränität." Die Verantwortung dafür trägt nicht Österreich alleine, doch hat auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) klar gemacht, dass die Intensivierung des EU-Außengrenzschutzes nicht zu Kapazitätsengpässen führen dürfte. Die Grenzkontrollen zuhause will er aufrecht halten.

"Schwächeanfall"

Und dann musste Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) noch viel Kritik für die Abkehr vom UNO-Migrationspakt einstecken, der eigentlich kein EU-Thema ist. EU-Abgeordnete beanstandeten, dass der Pakt "ausgerechnet unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft aus reinem innenpolitischen und populistischen Kalkül" nicht unterzeichnet wurde und "Österreichs negative Haltung für andere EU-Mitgliedsstaaten Anlass war, diesem Beispiel zu folgen". Juncker bezeichnete es als "Schwächeanfall", dass Österreich und andere EU-Staaten den Migrationspakt nicht unterzeichneten. "Ich hätte gerne gesehen, wenn die EU nicht wie ein kopfloser Hühnerhaufen in Marrakesch aufgetreten wäre."

Die österreichische Regierung habe ihre eindeutige Haltung zum Thema Migration nicht verborgen. "Österreich spielte nicht die Rolle des ehrlichen Maklers. Dass die österreichische Regierung nun behauptet, dass sie einen Sinneswandel herbeigeführt habe, ist übertrieben", sagt Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Centre". Seit 2016 gebe es eine zunehmende Orientierung auf mehr Sicherheit, Außengrenzschutz und Kooperation mit den afrikanischen Staaten. Emmanouilidis geht auch davon aus, dass Debatte um Solidarität in der Flüchtlingspolitik wieder kommt. "Deutschland muss nach dem Brexit mehr in das EU-Budget einzahlen und wird Solidaritätsaspekte einmahnen."

Der Brexit dominierte die Schlussphase des Ratsvorsitzes. "Wenn man sich in ein bis zwei Jahren erinnern wird, wird das mit dieser Zeit verbundene Thema der Brexit sein. Aber da war nicht die Ratspräsidentschaft der zentrale Akteur, sondern der EU-Verhandlungsführer Michel Barnier", sagt Emmanouilidis. Der EU-Vorsitz tat immerhin sein Bestes, um die EU-27 zusammenzuhalten. Insgesamt habe Österreich einen guten Ratsvorsitz hingelegt, er habe schon andere erlebt, die mehr Kritik einstecken mussten, sagte EU-Kommissionschef Juncker.