Sie befinden sich nicht immer in bester Gesellschaft, sie stehen mitten im Feuer, wenn es darum geht, den gordischen Brexit-Knoten zu lösen, über den Krieg in der Ukraine oder in Syrien zu verhandeln oder die Eurokrise zu lösen: Gerade in Europa haben derzeit mit Angela Merkel und Theresa May zwei Frauen Spitzenfunktionen inne, und mit Annegret Kramp-Karrenbauer könnte das zumindest in Deutschland auch so bleiben. Inmitten der heillos zerstrittenen und untergriffigen Fraktionen in London oder bei Treffen mit Autokraten vom türkischen Präsidenten bis zum des Mordes verdächtigten saudischen Kronprinzen scheinen sie derzeit mit oft verblüffender Ausdauer, Hartnäckigkeit und Unaufgeregtheit ihren Kurs zu fahren. Sind Frauen die besseren Regierungschefs?

Klare Antwort gibt es darauf wohl keine - weil Frauen wie Männer keinen einheitlichen Führungsstil pflegen und politischer Erfolg von jedem anders definiert wird. Unabhängig vom tatsächlichen Auftreten oder Regierungshandeln bleibt aber weiterhin die Wahrnehmung von Frauen in der Öffentlichkeit problematisch.

Heidi und ihre Karriere

An der Harvard Business School gab es vor einigen Jahren ein Experiment: Studierenden wurde der Lebenslauf einer Unternehmerin namens Heidi Roizen vorgelegt. Heidis Aufstieg zur erfolgreichen Risikokapitalanlegerin wurde beschrieben. Ihre Karriere habe sie unter anderem ihrer „selbstbewussten, offenen Persönlichkeit“ zu verdanken.

Die eine Hälfte bekam Roizens Lebenslauf, die andere auch - mit dem kleinen Unterschied, dass aus Heidi Howard wurde. Das Ergebnis dieses Experiments: Beide Gruppen befanden Heidi und Howard als kompetent, aber nur Howard war ihnen sympathisch. Heidi fanden die Studierenden ungut und unsympathisch, karrieresüchtig und nicht teamfähig.

Ein Phänomen, das sich derzeit auch am Beispiel Theresa May beobachten lässt: Wer in den britischen Medien positive Zuschreibungen in Bezug auf May als Person finden möchte, muss schon sehr lange suchen. Wie kommt es, dass eine Premierministerin, die sich hinstellt, um für ihr Land einen verträglichen Weg aus der EU zu verhandeln, als „gefühlskalt“ und als Roboter beschrieben wird, wenn sie inmitten eines Intrigantenstadls einfach versucht, so gut's eben geht, ihren Job zu machen? Sind Frauen verpflichtet zur öffentlichen Emotionsaustragung?

Eiskönigin

Frauen, die wie Männer agieren, heißen entweder „Eiserne Lady“, wie die legendäre britische Premierministerin Margaret Thatcher, oder „Eiskönigin“, wie Theresa May. Deren Vorliebe für Schuhe im Leoparden-print wurde medial öfter abgehandelt als der Umstand, dass sie sich auf dem Schleudersitz als britische Innenministerin länger hielt als alle ihre Vorgänger seit 100 Jahren. Frauen in Führungspositionen befinden sich in einem Dilemma: Wer weiblich auftritt, dem wird keine Stärke zugetraut. Wer ein eher männliches Auftreten hat, muss Sympathiepunkte einbüßen. Fragen nach Kinderplanung, -betreuung oder Kinderlosigkeit sind ständig präsent. Männer werden selten danach gefragt. Auch den Ausdruck „Karrieremann“ gibt's bis heute nicht - zugleich schwingt bei der „Karrierefrau“ gleich einmal mit, dass sie vermutlich „zu“ ehrgeizig und wenig einfühlsam ist.

Auch sexistische Kommentare sind längst nicht verschwunden. Hillary Clinton wurde im Präsidentschaftswahlkampf gegen Donald Trump von einer einzigartigen Schmutzkampagne überschüttet. Doch auch hierzulande ist das Phänomen parteiübergreifend bekannt. Jüngstes Beispiel: „Ich will mir die Landesrätin nicht in der Horizontalen vorstellen“, kommentierte Georg Dornauer als designierter Tiroler SPÖ-Chef erst jüngst die krankheitsbedingte Abwesenheit der grünen Landesrätin Gabriele Fischer.

Merkel hat sich vor Jahren dazu entschieden, diesen Balanceakt erst gar nicht mitzumachen. Durch ihr jahrelanges stoisches Ignorieren von Kommentaren über ihr Äußeres oder ihr Privatleben ist es ihr gelungen, heute nicht vorrangig als weiblich oder männlich wahrgenommen zu werden, sondern als Führungsfigur eines Staates.

Geschlecht allein ist noch kein Programm

Heide Schmidt, Juristin und Politikerin (zuerst FPÖ, dann Gründerin des Liberalen Forums und Präsidentschaftskandidatin) erklärt auf die Frage, ob sich der Polit-Stil durch einen höheren Frauenanteil verändert hat: „Da bin ich mir so sicher nicht. Im rechten und rechtspopulistischen Spektrum sehe ich keinen Unterschied: siehe AfD, siehe FPÖ, siehe Marine Le Pen in Frankreich. Im rechten Eck verändert sich durch einen höheren Frauenanteil nichts. Auch Politologin Birgit Sauer erklärte uns einmal: „Geschlecht ist noch kein politisches Programm. Es gibt ja nicht nur Rambos unter Politikern, und auch nicht alle Politikerinnen sind a priori Engel. Das Verhalten wird vom kompetitiven machtbezogenen Politikfeld geprägt.“

Dass Frauen in der Politik kritischer bewertet werden als ihre männlichen Kollegen, ist für Heide Schmidt eindeutig: „Da unterscheidet sich die Politik nicht von anderen Feldern. Das ist so, ob es uns gefällt oder nicht. Bei Männern lässt man mehr durchgehen, Frauen werden kritischer beäugt. Die „beste Antwort ever“ hat ihrer Meinung nach Kanadas Premier Justin Trudeau bei seinem Amtsantritt 2015 gegeben, als er auf die Frage einer Journalistin, warum er so viele Frauen in seinem Kabinett habe, sagte: „Weil es 2015 ist.“

Auch das Aussehen heimischer Politikerinnen ist immer ein Thema. Johanna Mikl-Leitner wurde als Innenministerin in Zeiten der Flüchtlingskrise als dünnlippige, grimmige Figur dargestellt. Sie wirkte hart und war deshalb unbeliebt. Heute, als Landeshauptfrau, gilt sie als weiche Landesmutter. In einem Interview sagte Mikl-Leitner einmal, dass Frauen „noch immer 120 Prozent geben, während bei Männern 100 Prozent reichen.“