Mit einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition hat Dienstagvormittag der vorweihnachtliche Nationalratsmarathon begonnen. Denn die Liste Jetzt hatte „Ein Jahr Regierung: Rechtsruck und soziale Kälte“ als Thema der Aktuellen Stunde vorgegeben – Kanzler und Vizekanzler wiesen die scharfen Angriffe zurück.

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Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann eröffnete mit einer umfassenden Negativbilanz: ÖVP-FPÖ stehe für „brutale Entmachtung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretung“, „brutale Umfärbung“ in staatsnahen Unternehmen, Postenschacher, eine „schamlose“ Verteilung von unten nach oben mit „Frontalangriffen auf Arme, Arbeitslose und Migranten“, Totalversagen beim Klimaschutz und „Sündenbockpolitik“ mit dem Motor „Hass und Feindbilder“.

Umgekehrt würden ihre Wahlkampfspender mit Milliardengeschenken „schamlos bedient“.  Außerdem habe die Regierung Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa salonfähig gemacht.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) antwortete mit einer positiven Bilanz (Ende der Schuldenpolitik, Entlastung kleiner Einkommen und der Familien, Kassen- und Mindestsicherungsreform) – aber auch Tadel: Inhaltliche Debatten mit unterschiedlichen Zugängen wären bereichernd, aber er „würde schon ersuchen, respektvoll im Ton zu bleiben“.

Die Gesellschaft spalte, wer andere herabwürdige. Er forderte, demokratische Wahlentscheidungen zu respektieren. Motto seiner Politik sei, „dafür zu sorgen, dass Menschen, die arbeiten gehen, mehr zum Leben bleibt“. Dem Vorwurf der „sozialen Kälte“ hielt Kurz entgegen, dass „sozial nicht ist, was in Abhängigkeit hält, sondern das, was stark macht“.

„Unsere Bilanz lässt sich sehen“, pflichtete ihm ÖVP-Klubobmann August Wöginger bei. Die Regierung habe nach dem Motto „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“ Meilensteine in der Sozialpolitik gesetzt, etwa mit dem Familienbonus. Das würden die Menschen auch respektieren und wertschätzen.

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried sieht die „Jahresleistung des Herrn Kurz“ anders: ÖVP-FPÖ habe das Land schon im ersten Jahr „unsozialer, undemokratischer, ungesünder und unmoralischer gemacht (…) Es ist kälter geworden in Österreich durch Sie.“ Das sei „kein Grund zu feiern, das ist ein Tag zum Trauern“. Besonders „unmoralisch und unanständig“ ist für Leichtfried, dass die FPÖ die Republik auf Schadenersatz für die auf ihr Verlangen wiederholte Bundespräsidenten-Stichwahl klagt. „Dafür können Sie sich schämen“, sagte er den Blauen.

Deren Klubobmann Walter Rosenkranz trat dieser Kritik entgegen – und zeigte sich entschlossen, „bis zur letzten Instanz“ zu gehen, damit ein unabhängiges Gericht entscheidet, ob die FPÖ im Recht ist. Der generellen Oppositionskritik hielt er entgegen, dass sie „aus einer Blase“ komme. Links orientierte Menschen würden nicht zur Kenntnis nehmen, dass es „Mehrheiten gibt, die abseits von Links sind“.

"Nebelgranaten"

„Sehr mager“ ist die Bilanz der Regierung aus Sicht von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. ÖVP-FPÖ schmücke sich „mit fremden Federn“, wenn es um Wirtschaftswachstum und niedrige Arbeitslosigkeit geht. Die Regierung missachte das Parlament, betreibe Umfärben und Machtpolitik und zeige inhaltlich vorwiegend „Scheinaktivität“ mit „Nebelgranaten zugunsten von Schlagzeilen“ – und habe „Nationalismus und Populismus die Tür geöffnet“.

Es sei wohl „eine Frage der jeweiligen Deutung“, wie man die Regierung beurteilte, stellte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) fest. Rossmanns Kritik habe nichts mit politischen Realitäten zu tun, sondern nur mit seiner Weltanschauung. „Aber wir machen keine Politik für Sie, den ‚Falter‘ oder sonstige Linksideologen. Dazu stehe ich“, sagte Strache. Aus seiner Sicht könne man eine „erfreuliche Bilanz präsentieren“.