US-Präsident Donald Trump schließt sich der Einschätzung der CIA vorerst nicht an, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hinter der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi steckt. Trump nannte diese Schlussfolgerung am Wochenende "sehr voreilig" und erklärte, erst am Dienstag den vollständigen CIA-Bericht zu erhalten.

Es sei aber "möglich", dass der US-Geheimdienst den Kronprinzen beschuldige, so der US-Präsident. Trump ist persönlich mit dem Kronprinzen befreundet und baut seit seinem Amtsantritt die Wirtschaftsbeziehungen mit dem engen US-Verbündeten aus.

Die CIA macht Insidern zufolge Mohammed bin Salman direkt für den Auftrag zum Mord an dem regierungskritischen Journalisten verantwortlich. Khashoggi lebte in den USA und schrieb etwa für die "Washington-Post". Er wurde Anfang Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul getötet. Saudi-Arabien streitet eine Verwicklung des Kronprinzen in die Tat ab.

"Zahlreiche offene Fragen"

Trump erörterte die CIA-Erkenntnisse nach Angaben seiner Sprecherin am Samstag in Telefonaten mit Geheimdienstchefin Gina Haspel und Außenminister Mike Pompeo. Pompeos Ressort erklärte, es gebe noch zahlreiche offene Fragen. Berichte, wonach die US-Regierung bereits endgültige Schlüsse gezogen habe, seien nicht zutreffend. Das Außenministerium versuche weiter zusammen mit anderen Ländern, die Umstände von Khashoggis Tod zu beleuchten und die in den Mord verwickelten Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Zugleich bemühe sich seine Behörde, "die wichtigen strategischen Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien aufrechtzuerhalten".

Die USA sehen Saudi-Arabien als zentralen Gegenspieler zu ihrem Erzfeind Iran, dem sie Terror-Unterstützung vorwerfen und für die instabile Lage in der Golfregion verantwortlich machen. Trump hat zudem deutlich gemacht, dass man milliardenschwere Waffengeschäfte mit dem Königreich nicht gefährden wolle.

Die USA verhängten Sanktionen gegen 17 saudi-arabische Staatsbürger wegen mutmaßlicher Verwicklung in die Tat. Die CIA-Erkenntnisse bringen nun aber den Kronprinzen selbst direkt mit der Tat in Verbindung, was die US-Regierung in dieser Deutlichkeit bisher nicht getan hat.

Nach Auskunft von Personen, die mit der Sache vertraut sind, hat die CIA die US-Regierung sowie den Kongress über ihre Einschätzung im Fall Khashoggi bereits informiert. Sie beruht demnach im Wesentlichen auf Indizien, die sich auf die zentrale Rolle Bin Salmans in der saudischen Regierung beziehen.

US-Vize-Präsident Mike Pence sagte am Rande einer Auslandsreise, er könne vertrauliche Geheimdienstinformationen nicht kommentieren. "Der Mord an Jamal Khashoggi war eine Gräueltat. Er war darüber hinaus ein Affront gegen eine freie und unabhängige Presse, und die USA sind entschlossen, alle zur Rechenschaft zu ziehen, die für den Mord verantwortlich sind." Er fügte hinzu, die USA hätten ein Interesse daran, ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien beizubehalten.

Der im US-Exil lebende Khashoggi war am 2. Oktober im Konsulat seines Heimatlandes Saudi-Arabien in Istanbul umgebracht worden. Er hatte dort Dokumente für seine Hochzeit mit einer Türkin abholen wollen. Unter immensem internationalen Druck gab Riad erst viel später den Tod des "Washington Post"-Kolumnisten zu.

Von nichts gewusst

Die saudische Staatsanwaltschaft beschuldigt hochrangige Regierungsmitarbeiter, eigenmächtig ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat geschickt zu haben. Riads Generalstaatsanwalt hatte zuletzt für fünf Beteiligte die Todesstrafe gefordert - angeklagt würden elf.

Beobachter sehen darin den Versuch, Mohammed bin Salman - auch "MbS" genannt - zu schützen. Die Affäre hat ihn in den vergangenen Wochen international in die Defensive gedrängt. Trump hingegen hatte bisher unter Verweis auf gute Geschäfte, Waffendeals und die Stabilität in Nahost gezögert, gegen den Kronprinzen vorzugehen.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten kündigten derweil eine Prüfung für "angemessene Maßnahmen" gegen die Verantwortlichen an. Man habe die Erklärung Riads zur Kenntnis genommen, jedoch sei "weitere Klärung zu den Umständen des schrecklichen Verbrechens" notwendig.

Der Fall Khashoggi dürfte an diesem Montag auch bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel diskutiert werden. Offiziell auf der Tagesordnung steht er nicht, nach Angaben von Diplomaten könnte er aber zum Beispiel im Rahmen einer Beratung zum Jemen-Konflikt auf den Tisch kommen.