Die Regierung will mit einem „digitalen Vermummungsverbot“ den Hass im Netz eindämmen. Das ist das Ergebnis eines einstündigen Gipfels, den ÖVP und FPÖ einberufen hatten und bei dem mit Experten und Opfern über geeignete Maßnahmen diskutiert wurde. Anonyme Äußerungen im Internet sollen weiterhin möglich sein, enthalten die Botschaften jedoch strafrechtlich Relevantes, sollen die Behörden auf die Namen der Verdächtigen zugreifen können, erklärte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Details zur genauen Umsetzung des Verbotes ließ die Regierung noch offen.

Doch neben Ex-Grünen-Politikerin Sigrid Mauer, deren Fall die Diskussion um Hass im Netz angeregt hatte, fehlte noch jemand am Expertentisch. Die Beratungsstelle „Hass im Netz“, die vom Verein „Zara“ betrieben wird und bei der sich Opfer von Hassbotschaften melden können, wurde nicht eingeladen. Viel erwartet habe sich Zara-Geschäftsführer Hans Dieter Schindlauer vom Gipfel aber ohnehin nicht. „Hass im Netz ist ein ungemein komplexes Problem, für das es keine Generallösung geben kann. Schon gar nicht innerhalb so kurzer Zeit.“

Schindlauer: "Zwei Drittel sind Frauen"

Schindlauer kennt die Geschichten der Opfer von Hass im Netz, die sich an die Beratungsstelle wenden. „Es geht um Cyber-Mobbing, Cyber-Stalking, Verhetzung oder Beschimpfung. Zwei Drittel jener, die sich bei uns melden, sind Frauen.“ Die Mehrheit der gemeldeten Fälle spiele sich auf Facebook ab. „Deshalb ist der Großteil der Menschen, die uns kontaktieren, keine Jugendlichen, sondern 30 und älter.“

Dass sich die Regierung nun auf die Identität jener fokussieren will, die Hass-Botschaften verbreiten, hält Schindlauer für den falschen Weg. „Einerseits erreichen Frauen wie Maurer die Botschaften ohnehin meist unter dem echten Namen des Absenders und zweitens sind die Grenzen des Nationalstaates Österreich sehr gut sichtbar, wenn man Konzerne wie Facebook zum Herausgeben von Nutzerdaten bewegen will.“

Fatale Folgen in Südkorea

Die von Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) geforderten Klarnamen für Foren und Plattformen hat die Regierung offenbar wieder verworfen. Doch auch das Beibehalten von Pseudonymen bei Hinterlegung des Namens sei keine gute Idee, erklärt IT-Journalistin Ingrid Brodnig. „Eine Identifikationspflicht hat Südkorea bereits 2007 eingeführt. Das Ergebnis: Der Ton wurde nur für kurze Zeit freundlicher.“ Die neue Pflicht hatte jedoch eine fatale Folge, sagt Brodnig: „Die gespeicherten Daten von 35 Millionen Südkoreanern wurden gehakt. Die Identifikationspflicht wurde daraufhin gekippt.“

Die Identität der Täter sei laut Schindlauer aber ohnehin nicht das Problem, sondern ihre Vorgehensweise. „Nur, wenn die Drohung, Beschimpfung oder Verhetzung unmissverständlich ist, kann man gerichtlich vorgehen. Lässt das Geschriebene irgendeine legale Interpretation zu, ist man vor Gericht chancenlos.“ Und die meisten Hass-Verbreiter wissen laut Schindlauer genau, wie man formuliert, um straffrei zu bleiben. Brodnig und Schindlauer wollen nun abwarten, welchen Schritt die Regierung als Nächstes setzt. Doch beide sind sich einig: Es bauche eine in Ruhe geführte Diskussion.

"Ali"-Video sorgt für Wirbel

Während die Regierung ihre Gipfel-Ergebnisse präsentierte, veröffentlichte die FPÖ ein offensichtlich rassistisches Video auf Facebook, dass „Ali“ zeigt, eine Figur mit Schnurrbart und Fez am Kopf, der die E-Card seines Cousins verwenden will. „Pech gehabt, Ali“, heißt es am Ende des Videos, weil künftig ein Foto auf den Karten zu finden sein wird. Die Opposition zeigt sich empört, sie kündigte sowohl eine parlamentarische Anfrage, als auch eine Sachverhaltsdarstellung gegen die FPÖ an. Das Video wurde inzwischen gelöscht.