Der Brexit-Poker ist nichts für schwache Nerven. Sah es vor Kurzem noch nach einem Durchbruch aus, herrscht nach dem Patt am Wochenende nun Nervosität auf beiden Seiten. In Großbritannien wurden Vorbereitungen für einen „No-Deal“-Ausgang vorangetrieben. EU-Ratspräsident Tusk erklärte, ein Brexit ohne Abkommen sei wahrscheinlicher denn je. Theaterdonner? Die nächsten Tage werden es zeigen.


Hauptstreitpunkt bleibt weiter die Nordirland-Frage. Nach einem Brexit wird zwischen Nordirland, dem britischen Norden der Insel, und der Republik Irland im Süden, die in der EU verbleibt, eine neue EU-Außengrenze entstehen. Gestritten wird nun darum, wie künftig Kontrollen an der Grenze auf der irischen Insel vermieden werden können. Dass die Grenze offen bleiben soll, darin sind sich alle einig. Gerungen wird um die Frage, wie Nordirland im Binnenmarkt und der Zollunion für Güter und Agrarprodukte verbleiben kann, ohne dass es wirtschaftlich vom übrigen Großbritannien abgetrennt wird. Bei einer Zollunion vereinbart man gemeinsame Außenzölle; Kontrollen an den Binnengrenzen sind überflüssig.


Nach Jahrzehnten eines blutigen Bürgerkriegs waren nach dem Karfreitags-Friedensabkommen 1998 die Gebiete auf beiden Seiten zusammengewachsen, die Grenze ist heute praktisch nicht mehr sicht- und spürbar. Brüssel befürchtet, dass der alte Konflikt wieder aufflammen könnte, wenn durch den Brexit eine „harte Landgrenze“ mit Kontrollen entsteht.


Zur Lösung wurden verschiedene Modelle erwogen, wie Warenkontrollen nicht an der Landgrenze, sondern an Flug- und Seehäfen, direkt auf dem Seeweg oder in britischen Vertriebszentren. Doch das würde EU-Zollkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland bedeuten. Dies lehnen die nordirischen protestantischen Unionisten ab, auf deren Stimmen Premierministerin May angewiesen ist. Einen Verbleib ganz Großbritanniens in der Zollunion lehnen die Brexit-Hardliner in Mays eigenen Reihen ab.


Die Brexit-Gespräche wurden nun bis morgen vertagt. Ob bis zum Gipfel am Mittwoch Abend und am Donnerstag noch große Würfe zu schaffen sind, darf bezweifelt werden.