Das Innenministerium unter Minister Herbert Kickl (FPÖ) plant offenbar eine Änderung im Umgang mit kritischen Medien. In einem dem "Kurier" und dem "Standard" zugespielten Mail an die Polizeipressestellen in den Bundesländern schlägt der Minister vor, die Kommunikation mit bestimmten Medien, deren Berichterstattung über das Ministerium Kickl als negativ empfindet, auf das Nötigste zu beschränken.  Die Authentizität des Schreibens wurde von mehreren Beamten bestätigt, schreibt der "Standard".

Darüber hinaus legt Kickl den Polizeipressestellen nahe, verstärkt über Sexualdelikte zu informieren. Auch die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen sollten in Aussendungen demnach explizit genannt werden.

Das Justizministerium hatte dagegen in seinem seit 2014 gültigen Medienerlass festgelegt, dass auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder persönliche Merkmale nur hingewiesen werden solle, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.

Kanzler greift ein

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte am Rande der UNO-Generalversammlung in New York Kritik an den im Innenministerium gewälzten Überlegungen einer Info-Sperre gegen kritische Medien. Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, betonte Kurz.

"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", so Kurz' Botschaft in Richtung Innenminister Herbert Kickl vom Koalitionspartner FPÖ.

Dass das Innenministerium angekündigt hat, eine neue Kommunikationsrichtlinie zu erarbeiten und eine faire Zusammenarbeit mit allen Medien anzustreben, hält Kurz für richtig. Nachsatz: "Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen."

Journalisten protestieren

Auch die Journalistengewerkschaft legte scharfen Protest ein. Es handle sich um eine "gefährliche Grenzüberschreitung", die einen "Aufschrei" zur Folge haben müsse. Kurz und Blümel müssten Kickl zur Ordnung rufen.

Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer erklärte,eine Ausgrenzung von Medien sei "völlig inakzeptabel" und eine Mediensperre undenkbar etwa in seinem eigenen Bereich als Katastrophenschutzreferent. "Selbstverständlich bekommen alle Medien die gleichen Informationen, dass manche nicht alles kriegen, wäre undenkbar." Und auch der Sicherheit keinesfalls zuträglich.

Der Bundespräsident sei aufgerufen, "sehr schnell" das Gespräch mit dem Kanzler zu suchen, um das zu bereinigen. "Das ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Die steht in der Verfassung. Das geht gar nicht."

Lob für Willfährige

Das Innenministerium lobt in dem umstrittenen Schreiben Medien, die sich kooperationsbereit zeigen. Dabei wird etwa eine Serie des Senders ATV über den Alltag der Polizei genannt, bei der es sich "um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit handelt, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können", heißt es in dem Schreiben.

ATV hat die Darstellung des Innenministeriums, wonach die Serie "Live PD" quasi als PR-Produkt für die Polizei diene, zurückgewiesen. "Wie bei allen Produktionen liegt die redaktionelle Hoheit ausschließlich bei ATV", hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme des Senders. Sollte es zu Versuchen kommen, in die Gestaltung einzugreifen, werde man das Format stoppen.

ATV protestiert

Man arbeite seit über zehn Jahren mit der Polizei für Formate "über den Polizeialltag" zusammen und pflege auch den "professionellen Austausch mit den diversen Polizeieinheiten". Das geplante Format, eine Eigenproduktion, beruhe "zur Gänze auf realen Einsätzen und laufenden Ermittlungen, die real-live mitgefilmt werden". Daher sei "schon aus "rechtlichen Gründen des Personenschutzes ein geordneter und korrekter Ablauf mit der Polizei einzuhalten", auch, was die "erforderliche Sensibilität" etwa bei Täter- und Opferschutz betreffe.

Abschließend hielt der Sender fest, dass "wir uns von der Vorgehensweise des Innenministeriums in der Frage des Umgangs mit Medien und der journalistischen Freiheit distanzieren". Man werde auch in Zukunft keine Projekte realisieren, "wo dieser Grundsatz infrage gestellt wird".

Innenministerium rudert zurück

Innenministeriums-Sprecher Alexander Marakovits nahm Montagabend in einer Aussendung Stellung zu Berichten über eine Beschränkung von Auskünften an bestimmte Zeitungen. Das angesprochene Mail stamme von Ressortsprecher Christoph Pölzl. Minister Kickl sei "weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung", auch nicht sein Kabinett, betonte Marakovits - und verteidigte das Vorgehen mit "Voreingenommenheit" von "Kurier" und "Standard".

Medien wehren sich

"Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter warf dem Innenminister unterdessen versuchte Manipulation der Öffentlichkeit vor. Das Recht der Bevölkerung auf Information soll beschnitten werden. "Der Innenminister und andere Kräfte in unserem Land wollen nicht akzeptieren, was das Wesen des Journalismus ist." Investigativer Journalismus kläre die Öffentlichkeit auf, indem er Informationen der Regierung und privater Institutionen bekannt mache, die diese sonst unterdrücken würden, zitierte Brandstätter aus den Leitlinien des berühmten Pulitzer-Preises. "Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist."

Beim "Standard" sprach man von einem "Frontalangriff auf die Medienfreiheit". Kritik am Innenministerium kam auch von Boulevardmedien. "Das ist eine deutliche (und nebenbei ziemlich stumpfsinnige) Grenzüberschreitung und brüskiert alle Medien, nicht nur die Genannten. Ich empfehle: Zurückziehen, Fehler eingestehen, Sicherstellung der professionellen Zusammenarbeit mit allen Medien", erklärte etwa "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser via Twitter.

Opposition empört

Harsch fielen auch die ersten Reaktionen der Oppositionsparteien aus. "Kickl hat wohl Probleme mit der Pressefreiheit", meinte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hält die Kickl-Distanzierung von seinem Ressortsprecher nicht für glaubwürdig. "Kritische Medien werden in ihrer Information eingeschränkt, Propaganda raufgefahren und die Bevölkerung besonders über Sexualdelikte von Ausländern informiert. So geht Demagogie, so wiegelt man ein Volk auf. Das ist demokratiegefährdend. Kickl ist ein echtes Risiko geworden", monierte Meinl-Reisinger auf Twitter.