Ein klares Votum: Beate Meinl-Reisinger ist am Samstag mit 94,8 Prozent zur neuen NEOS-Chefin gekürt worden. Sie erhielt bei der Mitgliederversammlung der Pinken in der Wiener Stadthalle 530 von 559 abgegebenen Stimmen. Ihr Gegenkandidat Kaspar Erath erhielt 3,2 Prozent bzw. 18 Stimmen; die restlichen Stimmzettel wurden weiß abgegeben.

Die Wiener Partei- und Klubchefin folgt Matthias Strolz nach, der im Mai völlig überraschend seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hatte. Strolz war im Jänner 2017 noch mit 98,98 Prozent als Parteichef bestätigt worden.

Zuvor wurde der Abschied von Matthias Strolz zelebriert. Der scheidende Parteichef und Gründer Matthias Strolz hatte in seiner Abschiedsrede die NEOS auf den Kampf gegen den voranschreitenden Demokratieabbau eingestimmt. Viel Raum widmete er in seiner Ansprache der Vergangenheit und erinnerte an die Entstehung und Etablierung der Pinken in der Parteilandschaft. Einmal mehr zeigte sich Strolz überzeugt, zum richtigen Zeitpunkt die Partei zu übergeben. Seine Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger wurde mit 94,8 Prozent zur neuen Parteichefin gekürt.

"Wir werden diesen Kampf vielleicht nicht gewinnen, aber wir werden ihn führen", rief Strolz den NEOS zu. Vor einigen Jahren hätte sich keiner gedacht, dass in ganz Europa so viele Rechte aufstehen und mit der "großen Abrissbirne" gegen die Gemeinschaft vorgehen. Es sei unvorstellbar, wie sehr der Rechtsstaat unter Druck gerät. "Wir sind die Generation, die den Kampf um unsere liberale Demokratie führen muss. Und wir sind bereit, diesen Kampf zu führen", so Strolz. "Oder wollen wir unfrei und in Unterdrückung leben, in Angst einkassiert zu werden, wenn wir Kritik üben?"

"Wir leben in einer unsicheren, ambivalenten, komplexen Welt", so Strolz weiter. Man wisse nicht, ob ein amerikanischer Präsident in ein paar Jahren den Friedensnobelpreis in Händen halten oder einen bösen Krieg anzetteln werde. Dass er in dieser schwierigen Zeit die Partei verlässt, hält Strolz für richtig: "Der Schritt ist sehr stimmig. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir alles haben, dass es gut weitergeht. Es ist alles da, wir sind komplett."

Dass die heutige Zusammenkunft zur größten Mitgliederversammlung werde, sei ein Zeichen, dass die NEOS auf dem richtigen Weg seien. "Wir sind Schritt für Schritt gesundgewachsen. Es gab auch immer wieder Rückschläge, aber wir sind wieder aufgestanden. Wir sind angekommen", so Strolz.

Im Zuschauersessel nicht ausgehalten

Strolz erzählte lange über die Entstehung der NEOS als er und andere es "nicht mehr ausgehalten und die Zuschauersessel verlassen haben". Die Pinken seien eine Gemeinschaftsleistung. "Die Bewegung ist nicht von Einzelpersonen abhängig." Als Parteichef habe er die Hälfte der Zeit dafür gebraucht, "das Ding zusammenzuhalten". Dabei habe es viele "mühsame" Momente gegeben. "Gottes Zoo ist groß und eine Partei ist ein Zoo." Die Stärke der NEOS sei es aber, "das große Ganze hochzuhalten". Niemand habe aus persönlicher Befindlichkeit, das Ganze beschädigt. "Und wir waren fähig, Allianzen zu schließen", erklärte Strolz. An NEOS-Allianzpartnerin Irmgard Griss gerichtet, sagte er: "Du tust uns saugut, jeden Tag".

Die Laudatio auf Strolz, der mit lautem und langem Applaus verabschiedet wurde, hielt Medienmanager und NEOS-Mitbegründer Veit Dengler. Er zeigte sich überzeugt, dass Strolz die Politik nicht für immer verlässt und in irgendeiner Form wieder zurückkommen werde. Bis dahin "erhol dich gut und vor allem Danke". "Reich beschenkt" wurde Strolz u.a. mit einem Obstbaum, Wollsocken und einem lustigen Abschiedsvideo, in dem er von seinen Wegbegleitern u.a. als "großes Kind, leicht crazy und nicht trinkfest" beschrieben wurde. Strolz bedankte sich, verabschiedete sich mit "Ciao" und ging seinen neuen Baum umarmend von der Bühne.