Der Beginn verzögert sich, erst sieben Minuten nach halb betritt Grasser den Saal. Er nimmt in der Mitte, gegenüber Richterin Marion Hohenecker Platz und bekennt sich mit lauter Stimme „nicht schuldig“. Grasser darf unterbrechen. „Das ist sehr nett“, sagt er.

„Es ist sehr schwierig für mich, als Angeklagter hier zu stehen, sicher die schwierigste Situation in meinem Leben. Ich habe neun sehr schwierige Jahre hinter mir.“ Gesetzeswidrig sei manches im Ermittlungsverfahren gewesen, weil öffentlich. Die Einladung an die Presse, an der Hausdurchsuchung teilzunehmen nennt Grasser. Von öffentlicher Vorverurteilung spricht er und von einem „völlig unverhältnismäßigen“ Verfahren. Dauer, Kosten, alles sei „wie auf einer schiefen Ebene“ gegen ihn gelaufen.

„Es hat meine wirtschaftliche Existenz zerstört, ist eine ganz massive Belastung für meine Frau, für meine Kinder und natürlich für mich selbst“. Es sei ihm vorgekommen, als wäre er vor acht Jahren bereits verurteilt worden. Sein Versuch, beruflich Fuß zu fassen, habe stets mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren geendet.

Grasser in Korruptionsprozess erstmals am Wort



Endlich dürfe er nun „die Wahrheit“ darlegen, sagt Grasser. Belege und Indizienbeweise würden seine Unschuld belegen, sagt Grasser.

"Mir war immer klar, dass die Anklage falsch sein muss"

Ursprünglich sei es die Steuerangelegenheit des Walter Meischberger gewesen und des Peter Hochegger, nicht mehr, sagt Grasser. Er sei immer sicher gewesen, nicht angeklagt zu werden, da er nichts strafrechtlich Relevantes getan habe. „Überrascht und schockiert gleichermaßen“ sei er gewesen, als die Anklage kam. Er habe sich damals vorgenommen, die Verteidigung nicht nur den Anwälten zu überlassen. „Ich habe mich detailliert mit den Akten auseinandergesetzt.“

„Mir war immer klar, dass die Anklage falsch sein muss.“ Ein Kriminalroman sei die Anklage, „reine Erfindung“. Mit der Wahrheit habe das nichts zu tun gehabt. Einen "Freibeweis" wolle er antreten, monatlich habe er an seiner Verteidigung gearbeitet. Er wolle nicht alles vortragen, sondern nur die Kernpunkte.

Den Tatplan nennt Grasser, die Vergabe selbst, der Vorwurf, die Buwog sei zu billig verkauft worden. Die Entscheidung zum Terminal-Tower in Linz listet Grasser auf - und die in der Anklage aufgelisteten Konten, auf die angeblich Schmiergeld geflossen sei.

"Keine belastbaren Fakten"

Die ganze Anklage basiere auf der Aussage von Willibald Berner, sagt Grasser, gestützt von Michael Ramprecht und zuletzt von der Aussage Peter Hocheggers. „Alle drei liegen falsch“, wie die Anklage insgesamt. „Mein Eindruck ist, die Anklage besteht aus Thesen, Behauptungen und Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft. Sie basiert nicht auf belastbaren Fakten“, sagt Grasser.

„Der Tatplan ist für mich eine der Säulen der Anklageschrift“, beginnt Grasser seine Ausführungen zum Kern der Anklage. „Ich halte diesen Tatplan für eine Konstruktion, eine Erfindung der Staatsanwaltschaft“. Es habe diesen Plan nie gegeben, nur die Falschaussage von Willibald Berner. 2009 habe dieser über einen Vorgang im Jahr 2000 ausgesagt. Damals, so Berner, Jörg Haider und er, Grasser hätten einen Tatplan geschmiedet, an Geschäften der Republik zu profitieren.

Geld war nicht mein Ziel“, sagt Grasser, er habe als Vorstand bei Magna deutlich mehr verdient. „Es hat damals einen enormen Druck von innen und nach außen gegeben.“ Keine Ressortübergabe habe es gegeben, 15.000 Mitarbeiter, eine enorme Aufgabe, „das Budget des Jahres 2000 war noch nicht gemacht“. Er listet auf, was alles zu tun war damals, 16-Stunden-Tage. Auch sei er ein Fremdkörper in der Freiheitlichen Partei gewesen, da Thomas Prinzhorn eigentlich Finanzminister werden hätte sollen. Er listet die Rücktritte von Minister und andere Turbulenzen auf. „Ich sage Ihnen, Hohes Gericht, in so einer turbulenten Zeit entwickelt niemand einen Tatplan. Ich bin kein Hasardeur, ich bin kein Selbstmörder, ich gebe nicht zehn Kilo Dynamit unter meinen Sessel und sprenge mich damit in die Luft“, so Grasser.

"Ich bin ein Roter"

"Warum lügt Berner?", fragt Grasser. „Ich bin ein Roter“, habe er von sich gesagt, führt Grasser als Begründung an. Auch sollte Rache genommen werden: Ramprechter, ein guter Freund Berners, sei von ihm, Grasser, in seinem Amt nicht verlängert worden. Außerdem meint Grasser, Berner hätte zum behaupteten Tatplan nichts beitragen können, da die wesentlichen Entscheidungen über Privatisierungen im Finanzministerium getroffen wurden.

Immer wieder verweist Grasser darauf, dass damals sein Verhältnis zu Jörg Haider zerrüttet gewesen sei. Er sei ja deswegen zu Magna gegangen, habe die Politik verlassen, weil der gute Draht zu seinem Mentor gestört war. Also sei es absurd anzunehmen, mit ihm gemeinsam einen „Tatplan“ dieser Art zu fassen.

"SPÖ und Grüne hatten einen Tatplan"

Lange Zeit verwendet Grasser darauf, die Aussagen des Belastungszeugen Berner in Frage zu stellen. Der habe wichtige, Grasser belastende Aussagen erst Monate nachdem sie gefallen sind, der Staatsanwalt übermittelt, obwohl er zuvor schon Gelegenheit dazu gehabt hätte. Der von Berner zitierte Grasser-Freund dementierte, je gesagt zu haben, Grasser habe stets „nur Bargeld“ genommen. Das Verfahren wegen Falschaussage gegen den von Berner zitierten Zeugen habe mit einem Freispruch geendet. Also habe Berner gelogen, argumentiert Grasser.

Vielleicht hat es ja einen Masterplan meiner Gegner gegeben, vermutet Grasser, von SPÖ und Grünen, die sich revanchieren wollten dafür, dass er, Grasser, Schüssel 2002 zu seinem großen Wahlerfolg verholfen habe. Schon 2003 habe die Sozialdemokratie von Dirty Campaigning gesprochen, sagt Grasser. Das Ziel sei gewesen, ihn, Grasser zu desavouieren. Vor allem die Abgeordneten Kräuter, Jarolim und Krainer hätten ihn angegriffen wie die Grünen Pilz, Moser und Kogler. „Was als Steuersache Meischberger/Hochegger begonnen hat, sollte zu einer Sache Grasser hochgezogen werden“, sagt Grasser.

"Ich empfehle die Vernehmung all dieser Experten"

„Eine pflichtwidrige und parteiliche Vergabe der Buwog hat es nicht gegeben“, behauptet Grasser zu Beginn des Kapitels, das sich mit dem schwersten Vorwurf befasst: Grasser habe Meischberger im Bieterverfahren erzählt, wieviel der Höchstbieter zu zahlen bereit ist. Meischberger und Hochegger hätten daraufhin ihrem Klienten, der Immofinanz, geraten, eine Million mehr zu bieten und dafür eine Provision von 9,6 Millionen Euro erhalten.

Eine Vergabekommission habe er vorgeschlagen, dazu wäre er nicht verpflichtet gewesen, sagt Grasser, um Transparenz und Objektivität zu gewährleisten. Die Zusammensetzung der Kommission habe ein Sektionschef empfohlen, er habe die Empfehlung ebenso angenommen wie die Empfehlungen der Experten in dieser Kommission. Er empfehle daher die Vernehmung dieser Experten, so Grasser.

Oft habe er sich gefragt, warum die Staatsanwaltschaft so überzeugt sei, er sei korrupt gewesen. Vielleicht, weil sie die Aufgaben eines Finanzminister nicht richtig verstanden hat. „Sie wissen nicht, was er tut.“ „Der Finanzminister ist ein Politiker und kein Experte.“

Detailgenau verliest Grasser nun betont langweilig, was die Aufgaben seines Ministeriums und ihres Leiters seien. Nachhilfestunde für die Staatsanwälte, die mit unbeteiligter Miene vor ihm sitzen.

"Buwog-Verkauf hatte keine Priorität"

"Die Staatsanwaltschaft hat mir Entscheidungen zugeordnet, die ein Bundesminister nie treffen kann“, sagt Grasser. „Der Minister macht Vorgaben und hat politisch zu kommunizieren, mit dem Parlament und der Öffentlichkeit.“ Grasser hebt die Stimme: „Aber, Hohes Gericht, ein Finanzminister setzt nicht um.“ Dafür habe er 15.000 Mitarbeiter, Sektionschefs, Gruppenleiter, Beraten, Kabinette, listet Grasser auf. 

„Ich habe nicht einmal die Vergabekriterien festgelegt“, sagt Grasser und die habe entschieden, dass der Preis das einzige Kriterium sein solle, das sei auch richtig so. „Natürlich war ich mit meinem Staatssekretär politisch letztverantwortlich“, gibt Grasser zu. So habe Haider das Vorkaufsrecht für Kärnten gefordert.
Mit den Mietern musste er kommunizieren, sie beruhigen, dass die Mietpreise nicht steigen würden. Er musste den Prozess politisch begleiten, die besten Rahmenbedigungen schaffen. Außerdem habe der Buwog-Verkauf politisch keine Priorität gehabt, sagt Grasser. „Für die Umsetzung haben Lehman-Brothers 10 Millionen Euro bekommen.“ Es sei also ein Grundfehler der Staatsanwaltschaft, sich nicht genau mit den Aufgaben der Beteiligten befasst zu haben, behauptet Grasser. "Die Staatsanwaltschaft hat kein Knowhow in dieser Sache."

"Ich wurde zum Harry Potter gemacht"

Dass die Staatsanwaltschaft keine Experten befragt hat, kritisiert Grasser. „Ich wurde zum Harry Potter dieser Privatisierung gemacht.“ Es werde ihm zugetraut, hundert oder mehr Züge in die Zukunft zu planen und vorauszusehen. Höhnisch sagt Grasser: „Das war so gut gemacht, dass niemand etwas gemerkt hat.“ Er habe die Hoffnung, dass dieses Verfahren „die Wahrheit ans Licht bringen wird“, sagt Grasser. 50 bis 55 Millionen Euro habe der Deal der Republik erspart, weil man eine Milliarde an Schulden zurückzahlen konnte. Abzüglich der Dividenden, die wegfallen, bleibe ein Vorteil von 30 bis 35 Millionen, rechnet Grasser. „Das war ein Preis am oberen Rand der Bewertungsbandbreite“, sagt Grasser. Blackstone hat 200 Millionen weniger geboten, erinnert der Angeklagte.

Nun kommt Grasser zum umstrittenen Vorkaufsrecht des Bundeslandes Kärnten. Er habe es vereinbart, weil sonst die Umsetzung der Privatisierung unmöglich gewesen war. „Haider war in jede wichtige Entscheidung der Bundesregierung eingebunden. Er war umfassend informiert und hat alle wichtigen Fragen mitverhandelt“, begründet Grasser diese Vereinbarung.

Ein Fest bei der Kleinen Zeitung Kärnten

Zum Verkauf der Buwog geht Grasser ins Detail seines Terminkalenders und dem Meischbergers und sagt zu seiner Verteidigung: „Ich habe niemandem vertrauliche Informationen aus dem Verkaufsprozess weitergegeben.“ Er habe diese Zahl selbst nicht gekannt. Über die Details des Gebots sei er am 7. Juni informiert worden. „Ich hatte keine Kontakte mit Walter Meischberger zwischen dem 3. und 15. Juni 2004“, sagt Grasser und erinnert daran, dass die Vergabe am 13. erfolgt sei. 

Wie konnte die Zahl von 960 Millionen, die die CA-Immo geboten hat, in Umlauf kommen, fragt Grasser und gibt eine überraschende Antwort. Er sei eingeladen gewesen zur Feier "100 Jahre Kleine Zeitung" in Kärnten, das am 4., 5. und 6. Juni 2004 angeblich 50.000 Gäste zusammenführte - "laut Kleiner Zeitung“, wie Grasser sagt. „Bei solchen Festen wird viel besprochen“, deutet er an und präzisiert, was er meint. „Die BA-CA war Sponsor dieses Festes und ich habe auch Inserate der BA-CA in der Zeitung gefunden.“ Die Bieter könnten ein Interesse gehabt haben, mit dem Landeshauptmann bei der Gelegenheit zu sprechen, sagt Grasser und stützt damit indirekt die Aussage Meischbergers, der Tipp sei nicht von Grasser, sondern von Haider gekommen.

"Wir haben das bestmögliche Ergebnis erzielt"

Den Vorwurf, Grasser habe Meischberger den Tipp über die Höhe des Gebots der CA-Immo in der zweiten Runde gegeben, versucht Grasser mit Begriffsunterscheidungen zu entkräften. Das Gebot der CA-Immo für die erste Runde am 4. Juni habe 922 Millionen betragen. Das Gesamtinvestitionsvolumen inklusive Transaktionskosten und Zinsen, hätte einen Betrag von 960 Millionen ergeben. Daraus aber ließe sich keineswegs schließen, wie viel die CA-Immo in der nächsten Runde bieten würde. „Aus der Kenntnis dieses Gesamtinvestitionsvolumens kann ich gar nichts schließen, was die Höhe der CA-Immo-Angebots für die zweite Runde betrifft“, formuliert Grasser.  "Die Anklageschrift ist daher in diesem entscheidenden Punkt falsch.“

Wie die Höhe des zweiten Gebots Meischberger bekannt geworden sein könnte, erklärt Grasser so: "Die Zielgröße muss auf dem Markt, in Bieterkreisen in Umlauf gewesen sein. Sichre kam sie nicht von der Republik, sicher kam sie nicht von mir.“ Warum die beiden Gebote so nahe beieinander lagen, fragt sich Grasser und lacht. „Ich kann's Ihnen nicht sagen, vielleicht waren die Preise ausgereizt.“ Dann beantwortet er die Frage doch: „Es könnte simpler Zufall gewesen sein.“ Zur Gesamtbewertung des Deals sagte der ehemalige Finanzminister: "Wir hatten das bestmögliche Ergebnis erreicht, davon bin ich heute noch überzeugt", sagt Grasser und schlägt vor, eine Pause einzulegen.

"Unter meiner Wahrnehmungsschwelle"

Nach der kurzen Pause kommt Grasser zum Thema Terminal-Tower. Der Minister soll, so der Vorwurf, dafür gesorgt haben, dass die Finanz in einem unterausgelasteten teuren Hochhausturm, den die von Walter Meischberger beratene Baufirma Porr in Linz errichtet hatte, einzieht, statt ein günstigeres Objekt zu wählen: „Das kann nicht sein“, habe er sich gesagt, als er hörte, das „Faktum Terminal-Tower“ komme zur Anklage. „Wieder hat die Staatsanwaltschaft keinen Beweis und keine Zeugen für ihre Vorwürfe.“ Eine Seifenblase sei das, „die, so hoffe ich, zerplatzen wird“.

„Ich hatte keine Kenntnis über Aufträge, Beratungsleistungen oder Auftrage Walter Meischbergers mit der Porr.“ Wieder bewerte die Staatsanwaltschaft die Aufgaben des Bundesministers falsch. „Der Terminal-Tower hat unter meiner Wahrnehmungsschwelle stattgefunden.“ Er habe den Mietvertrag weder gesehen noch entschieden. „Ich bin in solche Standortfragen überhaupt nicht eingebunden.“

Kapitel Konten und seltsame Barzahlungen

Nun kommt Grasser zum Kapitel, das seine Konten betrifft und es wird unübersichtlich. Im Originalschreiben sind wir bereits bei Seiten 500 folgende. Er habe "keine Wahrnehmung" zu den genannten Konten. „Ich war nie Empfänger der genannten Provisionszahlungen. Es hat keinen Tatplan zur Aufteilung der Zahlungen gegeben“, wiederholt er. 400815 - das Konto, auf das angeblich sein Anteil an den Buwog-Provisionen geflossen sein soll, "ist nicht mein Konto“, sagt Grasser.

In dem Kapitel seiner schriftlichen Rechtfertigung habe er versucht, sich „freizubeweisen“. Barzahlungen auf seine Konten, die der Staatsanwaltschaft verdächtig schienen, erklärt er mit Rückzahlungen seiner Frau Fiona, die oft Probleme mit ihrer Kreditkarte hatte. Auch die Kosten der Hochzeit habe sie in bar zurückerstattet und Gelder für den Umbau einer Wohnung in Wien.

Die Deutungen der Staatsanwaltschaft nennt Grasser „kreativ“, will heißen, frei erfunden. „Am Ende wird feststehen, dass die 500.000 von meiner Schwiegermutter sind und mir nie gehört haben“, erwähnt er eine konkrete merkwürdige Zahlung. Generell sei ihm die "vernetzte Darstellungsweise" der Staatsanwaltschaft "auf die Nerven gegangen", sagt Grasser. Das nächste Kapitel, warnt er, dürfte lange dauern und sollte nicht unterbrochen werden. Ob eine Pause recht wäre, fragt er die Richterin. Marion Hohenecker nickt. Um 13.45 Uhr geht es weiter.

Die 500.000 Euro der Schwiegermutter

Das Konto Ferint, über das Grasser nun sprechen will, sei reine Familienangelegenheiten. Es geht um 500.000 Euro, die Grasser zur Anlage von seiner Schwiegermutter erhalten haben will - „das ist die Wahrheit“. Warum er bei der Befragung dazu ausgewichen sei, habe nur damit zu tun, dass er ja wusste, dass sie nichts mit der Causa Buwog zu tun haben. Auch gingen die 500.000 Euro tief in die Intimsphäre seiner Familie. Die Familie seiner Frau sei sehr verschwiegen, wolle nicht an die Öffentlichkeit. Diese Privatsphäre wollte er schützen.

Wie es wirklich war? „Meine Schwiegermutter wollte das Geld meiner Frau und ursprünglich auch mir schenken.“ Nun bittet Grasser, das nächste auszulassen, weil es zu privat sei.....

Weitere 400.000 seien anlässlich der Verehelichung 2005 geflossen. „Total überraschend“ sei diese Dimension gewesen. „Ich komm aus einer ganz normalen Familie. Meine Eltern haben sich alles selbst aufbauen müssen.“ Daher sei er von dieser unglaublichen Großzügigkeit „unglaublich überrascht“ gewesen. „Ich habe meine Frau aus Liebe geheiratet und nicht, weil sie Geld hat oder von ihren Eltern Geld bekommt.“ Daher wollte ich Gütertrennung. Seit 13 Jahren führe er eine glückliche Ehe. Die Schwiegermutter habe darauf bestanden, dass er das Geld veranlage für seine Frau. Er habe im Finanzministerium angefragt, ob er das Geld nach Österreich mitnehmen dürfe. Dagegen sprach nichts, so habe er es denn angelegt.

„Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, meine Frau, meine Schwiegermutter. Es ist nicht mein Geld.“ Aus charakterlichen Grünen hätte er so viel Geld nicht angenommen, als Finanzminister hätte er das auch melden müssen. Und dann die Gütertrennung sei ihm wichtig gewesen. Weil im Ehevertrag steht, er müsse eine Million zur Lebensführung beitragen, habe die Staatsanwaltschaft geschlossen, „deshalb hat er korrupt werden müssen, weil er es nicht hatte“. Ich habe alle Unterlagen übergeben und aus denen ging hervor: Diese Bestimmung steht natürlich nicht im Ehevertrag“.

Schwere Vorwürfe an die Staatsanwaltschaft

„Ich denke, die Staatsanwaltschaft hat sich einfach entschlossen, den wahren Sachverhalt einfach zu ignorieren“, erhöht Grasser die Dosis der Anschuldigungen gegen seine Ankläger. So habe man auch die Aussage seiner Frau nicht zur Kenntnis genommen. Statt dessen habe man ein Strafverfahren gegen meine Frau eröffnet. „Das ist mittlerweile eingestellt.“ Eine Reihe von Zeugen habe die Schenkung bestätigt, die Staatsanwaltschaft aber ließ den Vorwurf nicht fallen, klagt Grasser. Er habe eine „Zielorientierung“ der Staatsanwaltschaft gegeben. „Wir können nicht jahrelang gegen den Ermitteln und am Ende war's nichts“, dürfte man sich gedacht haben.

Hausdurchsuchungen „mit Brachialmethoden“ gegen die Familie seiner Frau nennt Grasser und betont, dass die Familie gar keine österreichischen Staatsbürger sind, sondern Schweizer. Fehlinterpretationen vorliegender Akten wirft Grasser der Anklage ebenso vor wie die Veröffentlichung vertraulicher Aussagen und Dokumente aus dem Akt. Dass er die Schwiegermutter von der Anlage des geschenkten Geldes bei der Meinl-Bank nicht informierte, erklärt Grasser damit, dass diese als Swarowski-Teilhaberin kein Interesse an dieser Veranlagung hatte.

"Ich habe mit diesen Konten nicht zu tun"

„Meine Schwiegermutter wurde in der veröffentlichten Meinung in den Schmutz gezogen“, erkärt Grasser, warum diese nicht bestätigen wollte, dass das Geld ursprünglich von ihr kam, als Schenkung. „Das hat meine Beziehung zu meiner Schwiegermutter massiv gestört.“ Die Kommunikation sei daher völlig zum Erliegen gekommen. An eine Bestätigung über die Schenkung sei nicht mehr zu denken gewesen, weil seine Schwiegermutter die Hausdurchsuchung bei ihrem Bruder und mutwillige Steuerprüfungen in Österreich ihm zuschrieb.

Dann aber, als das Geld, das bei der Meinl Bank lag, wegen der Finanzkrise in Gefahr geriet, bat er sie doch noch einmal um Hilfe: „Ich wollte das Geld in Sicherheit bringen.“ 780.000 Euro seien mittlerweile daraus geworden. Der Vermögensverwalter seiner Frau und seiner Schwiegermutter habe das alles übernommen, er habe die Konten für die Enkelkinder angelegt, er, Grasser, habe nichts damit zu tun.

Charakterlosigkeit und Skrupellosigkeit

Nach einer Pause von 20 Minuten will Grasser sich mit dem Teilgeständnis von Peter Hochegger, das er eine "Falschaussage" nennt, befassen. Peter Hochegger hatte Grasser als einen der Bezieher der Buwog-Provison namhaft gemacht.

„Die Privatisierung der Buwog ist korrekt verlaufen“, beginnt Grasser seine Abrechnung mit dem Mitangeklagten Peter Hochegger, der ihn beschuldigt hatte, 2,4 Millionen Euro aus Provisionen für den Buwog-Verkauf genommen zu haben. „Die Aussage von Peter Hochegger hat mich menschlich tief enttäuscht. Ich hätte Peter Hochegger so ein skrupelloses Verhalten nicht zu getraut.“ Warum er das mache, habe sich Grasser gefragt: 2007 sei er in massivem Streit mit Hochegger auseinander gegangen.

„Ich wusste nicht, dass Peter Hochegger die Nähe zu mir geschäftlich sehr gut getan hat.“ Nach dem Finanzministerium habe er die Valora-Solutions gegründet mit Hochegger und Meischberger, dann aber immer mehr für Meinl International Power gearbeitet. Hochegger hat nun meine Gegner beraten, die Meinl Int. Power übernehmen wollten.
„Ich habe mich so geärgert über diese Charakterlosigkeit des Peter Hochegger.“ „Letztklassig“ fand Grasser dessen verhalten. Bis zum Prozesstag habe er keinen Kontakt mehr gehabt. „Da ist überhaupt nix neutral“, anders als Hochegger das gesagt hatte.

„Peter Hochegger ist auf seinem opportunistischen Egotrip“. Er sei auf den Zug aufgesprungen, „alle wollen Grasser hängen sehen“. Er habe sich ins Beiboot retten wollen, ob die anderen untergehen ist mir einerlei. Er kämpft für sich, nicht für die Wahrheitsfindung.“ Er habe kein Risiko: Gewinnt Grasser, kommt auch er frei, wenn nicht, habe er mit einer geringeren Strafe zu rechnen. Den „brasilianischen Weg“ nennt Grasser das, da Hochegger nun in Brasilien lebt.

"Hochegger ist ein Meister der Dramaturgie"

Warum Hochegger nicht schon früher sein Wissen preisgegeben hat, versteht Grasser nicht. Angesichts des massiven Streits zwischen den beiden hätte er diese massive Anschuldigung schon viel früher erheben können oder müssen, findet Grasser. Gelegenheiten habe es immer wieder gegeben. „Aus meiner Sicht: Peter Hochegger war ein PR-Profi, er ist ein PR-Profi und er ist ein Meister der Dramaturgie.“ Drehbuch, Regie, Hauptrolle, Peter Hochegger. „Ein Film, der nichts mit der Wahrheit zu tun hat.“ Das Gericht werde beurteilen müssen, ob Hochegger in vielen früheren Aussagen die Wahrheit gesagt, als er nichts von Grassers Verwicklung erwähnt hatte, oder jetzt.

Zum Zeitpunkt, als Hochegger die Information über die drei Konten für die Buwog Provision bekommen haben will, habe es zwei der drei Konten noch gar nicht gegeben, erzählt Grasser. Dann habe er sich eben im Datum geirrt, habe Hochegger darauf vor Gericht erwidert. „Hochegger dreht und wendet sich, wie er es braucht, die Wahrheit wird zu einem Zerrbild“, sagt Grasser. „Peter Hochegger hat Sie, Hohes Gericht, angelogen. Nachdem ich weiß, dass ich kein Geld genommen habe, muss ich schließen, dass Lüge einfach ein Teil der charakterlichen Disposition des Peter Hochegger sind.“

Eine Schlange bleibt eine Schlange

Die Bekehrung nehme er Peter Hochegger nicht ab, nicht die Esoterik, nicht den Antikapitalismus. „Man kann den Aussagen Peter Hocheggers nicht trauen.“  Warum habe Hochegger 2013 eine Schadenersatzklage gegen ihn, Grasser, auf 32 Millionen eingebracht, wenn „weniger ist mehr“ seine Maxime ist? fragt Grasser. „Eine Schlange, die sich häutet, bleibt am Ende des Tages eine Schlange.“

Über Walter Meischberger, der in der ersten Reihe sitzt, fallen Grasser nur positive Adjektive ein. Walter Meischberger war viele Jahre lang einer "meiner besten Freunde". Er war ein "wichtiger Berater in parteipolitischen, in PR-politischen Fragen", in Marketingfragen. Er war kein Berater in inhaltlichen Fragen. „Walter Meischberger ist meines Erachtens einer der besten Berater in politischer Kommunikation.“ Er habe seinen Freunden von Beginn an klargemacht, dass sie keine Aufträge bekommen würden. "Ich habe dieses Prinzip sieben Jahre lang durchgehalten, da hat es keine Ausnahmen gegeben.“ Die FPÖ sei gegen Privilegien aufgetreten, es war daher ein Grundprinzip, nicht die gleichen Fehler wie Vorgänger zu machen. „Mit Meischberger war ausgemacht, dass er für seine Beratung keine Bezahlung bekommt. Das war üblich.“

"Als ich es erfuhr, war ich fuchsteufelswild"

Herausgeber des Seitenblicke-Magazins war Meischberger, erzählt Grasser, er sei gut vernetzt gewesen, die ganze FPÖ-Regierungsmannschaft habe er gekannt, besser als er, Grasser. „Was er über das Seitenblicke-Magazin hinaus getan hat, wusste ich nicht, ich hatte auch keine Zeit dafür.“ Dass er beratend für das Österreich-Konsortium tätig war, wusste ich nicht. „Als ich es erfuhr, war ich fuchsteufelswild“. Die Optik, das sei ihm klar gewesen, sei nicht gut. Meischberger hat sich entschuldigt bei mir, dafür, dass er mich hineingezogen hat. „Ich habe einen Auftrag von einem privaten Unternehmen“ habe Meischberger gesagt. Dafür die Freundschaft zu kündigen, wäre nicht in Ordnung gewesen. „Ein Freund bleibt ein Freund, auch wenn er einen Fehler macht.“ Natürlich sei das eine Zäsur für die Freundschaft gewesen. „Ich bin froh, dass wir die Basis dieser Freundschaft erhalten konnten“, sagt Grasser.

Er wolle auch den Eindruck richtigstellen, Meischberger sei im Finanzministerium permanent aus und ein gegangen. „Meischberger ist zu verschiedenen Sitzungen im Finanzministerium eingeladen worden.“ Eine eigene Zutrittsberechtigung oder einen Schreibtisch habe er nicht gehabt. In fünf Jahren habe es 48 berufliche oder private Termine mit ihm gegeben, die meisten mit anderen Personen. „Ich weiß nicht, wie oft Sie ihre besten Freunde treffen?“ Einmal im Monat sei wenig, aber mehr Zeit habe er nicht gehabt.

3700 Telefonate habe man abgehört, lediglich fünf davon sind seiner Ansicht nach anklagerelevant. Grasser bedankt sich bei der Richterin, dass sie einige vorgespielt hat, weil sie entlastend seien. „Weder habe ich einen Amtsmissbrauch begangen, noch habe ich Geld genommen“, habe er damals gesagt, nicht wissend, dass er abgehört worden sei. Das Gericht möge sich daraus ein faires Bild machen.

Zum Schluss widerspricht Grasser dem Plädoyer der Anklage. Er habe sich an das Parlament zurückversetzt gefühlt. Warum er das Plädoyer nicht haben dürfe, fragt Grasser. „Es geht um mein Leben am Ende des Tages. Nichts von dem, was sie mir vorgeworfen, ist richtig. Die Vorwürfe sind unrichtig. Sie haben Grundrechte verletzt und haben teilweise kein faires Verfahren geführt.“ Bei Entlastendem sei die Staatsanwaltschaft blind gewesen, sonst großzügig. „Unsere Zeugen sind Indizien“, habe die Staatsanwaltschaft gesagt. „Meine Zeugen sind die, die dabei waren.“

Am Ende seiner stundenlangen Ausführungen sagt Grasser: „Ich bin zuversichtlich, dass am Ende der Beweisaufnahme von der Anklage nichts übrig bleibt.“ Die Anklage habe seine Karriere zerstört, seine wirtschaftliche Existenz vernichtet. "Das ist eine enorme Belastung für mich und meine ganze Familie. Ich bin unschuldig und hoffe auf Gerechtigkeit. Ich bitte Sie um ein faires Verfahren."