Der italienische Staatschef Sergio Mattarella hat dem Juristen Giuseppe Conte am Mittwoch den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung aus der rechten Lega und der Fünf Sterne-Bewegung erteilt. Den Auftrag erhielt der 53-jährige Conte nach einem fast zweistündigen Gespräch mit Mattarella im Quirinal, dem römischen Präsidentschaftssitz. Medienberichten zufolge erteilte Mattarella den Regierungsauftrag allerdings mit Vorbehalt: Er wolle zuerst noch die Liste der Minister sehen. Mattarella gilt als pro-europäisch. Es ist das erste Mal, dass Europaskeptiker in einem Gründungsmitglied der EU die Macht übernehmen.

Polit-Neuling

Conte wird nun sondieren müssen, ob er im Parlament über eine tragfähige Mehrheit verfügt. Er wolle eine "Regierung der Bürger" aufbauen. "Wir stehen vor der Bildung einer Regierung des Wandels", versicherte der 53-jährige Rechtsprofessor, der keine politische Erfahrung hat. "Ich bin Professor und Anwalt, ich habe in meinem Leben die Interessen vieler Bürger verteidigt. Jetzt will ich die Interessen der Italiener auf allen Ebenen verteidigen", erklärte Conte. In den nächsten Tagen werde er Präsident Mattarella eine Ministerliste vorlegen.

Die Fünf-Sterne-Bewegung reagiert mit Freude. "Wir hatten es versprochen. Endlich beginnt in Italien eine neue Ära", kommentierte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio nach Medienangaben. Auch die Lega zeigte sich zufrieden. "Wir sind zum Start bereit", hieß es in einer Presseaussendung.

Die Querelen rund um den verschönerten Lebenslauf des 53-jährigen Contes spielte die Fünf-Sterne-Bewegung herunter. Der "bösartige Tratsch" über Conte bezeuge die Angst einer "Kaste"vor dem Verfall. Sie sei aus reinem Überlebensinstinkt gegen das Neue eingestellt, kommentierte Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo auf seinem Blog.

Sorge vor neuer Euro-Krise

Das Programm der angestrebten italienischen Regierungskoalition stößt bei der EU-Kommission auf scharfe Kritik und nährt Sorgen vor einer neuen Eurokrise. "Vor dem Hintergrund seiner systemischen Bedeutung ist Italien eine Quelle von potenziellen, signifikanten Auswirkungen auf den Rest der Eurozone", erklärte die Kommission am Mittwoch in ihren länderspezifischen Empfehlungen.

Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis forderte von der designierten neuen Regierung eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik. Italien müsse weiter seine hohen Staatsschulden abbauen und Strukturreformen fortsetzen, sagte er. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici sagte, es müsse eine vertrauenswürdige Antwort der Regierung auf die Schuldenfrage geben.

Die Koalition aus populistischer Fünf Sterne und rechtsextremer Lega plant unter anderem höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Pensionsreform.

Reinhold Lopatka, Nationalratsabgeordneter und Europa-Sprecher der ÖVP sah Italien bereits in einer Allianz mit EU-kritischen Staaten: "Die Visegrad-Staaten haben jetzt einen Fünften bekommen. Da bin ich mir ganz sicher, dass die Italiener bald mehr inhaltliche Gemeinsamkeiten mit den Visegrad-Staaten abdecken werden, als mit (dem französischen Präsidenten Emmanuel) Macron."