Die Affäre um die Kriegsspiele mit Kindern in einer ATIB-Moschee in der Wiener Dammstraße wird immer größer. Die Wiener Stadtzeitung "Falter" veröffentlichte am Mittwoch Fotos, welche belegen sollen, dass nicht nur heuer, sondern bereits im Jahr 2016 Schlachten mit Kindern nachgestellt wurden.

Die neuen Bilder zeigen Kinder, die tote Soldaten spielen, die mit türkischen Fahnen zugedeckt werden. Die Fotos stammen aus einer der größten Moscheen Wiens, dem Gotteshaus des zur türkischen Religionsbehörde gehörenden Vereins ATIB, der in Wien auch Kindergärten betreibt. Die Kinder mussten die Schlacht von Gallipoli aus dem Jahr 1915 nachstellen, ein Gemetzel, das die Türken im Ersten Weltkrieg gewonnen hatten.

Vorfälle in ATIB-Moschee: Regierung prüft rechtliche Schritte

Die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) ist ein direkter Ableger des türkischen Amts für Religion und verfolgt die Linie der türkischen Regierung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) distanzierte sich offiziell von dem Spektakel. Die Optik sei nicht gut. Personelle Konsequenzen - der Präsident der Glaubensgemeinde, Ibrahim Olgun, ist selbst Vertreter der ATIB - blieben aber bisher aus. Es deute einiges darauf hin, dass sich der Verein nicht ans Islamgesetz gehalten habe. 

Jugendamt prüft, Regierung legt nach

Das Jugendamt prüft nun die "jugendgefährdenden Umtriebe", ebenso das beim Bundeskanzleramt angesiedelte Kultusamt. Kritik an der Aktion kam auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft selbst. Die Regierung kündigte Maßnahmen an. Das im Bundeskanzleramt angesiedelte Kultusamt überprüft die Vorfälle bereits auf Verstöße gegen das Islamgesetz. Die Schließung der Moschee oder auch die Auflösung des Vereins ATIB stehen im Raum. Die Stadt Wien solle die Vereine strenger kontrollieren und ihre Fördermaßnahmen überdenken.

Mit der Beschlussfassung über das Islamgesetz, der Stärkung des Kultusamtes und Konsequenzen bei Verfehlungen sei man auf dem richtigem Weg, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).  "Es gibt Fehlentwicklungen, und es gibt Leute, die diese schön geredet und zugeredet haben", so Kurz. "Das hat in Österreich keinen Platz. Hier wird es null Toleranz geben."

Kurz ist " froh", dass solche Fälle an die Öffentlichkeit und Behörden herangetragen werden. Kurz appellierte daher: "Ich kann nur jeden bitten, wenn er solche Informationen hat, die Behörden zu informieren." Er selbst sei in den vergangenen Jahren immer wieder damit konfrontiert worden, dass es solche Fehlentwicklungen gar nicht gebe und seine Kritik am politischen Islam nur politisch motiviert sei. "Die Fälle sind real", so Kurz. 

"Förderungen öffentlich machen"

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache fühlt sich bestätigt: Die Stadt Wien solle endlich öffentlich machen, an welche Vereine sie überhaupt Fördergelder zahle. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hofft, dass nun "so mancher Integrationsfantast aufwacht". 

Bereits am Dienstag hatte der "Falter" darüber berichtet, dass es auch heuer eine entsprechende Veranstaltung gab. Entsprechende  Bilder stammen offensichtlich von einer Veranstaltung, die Mitte März in der ATIB Union Moschee in Wien-Brigittenau stattgefunden haben dürfte. Buben in Tarnuniform, teils offensichtlich noch im Volksschulalter, sollen darauf die Schlacht von Gallipoli aus dem Jahr 1915 nachstellen. Auch junge Mädchen in Kopftüchern sind darauf zu sehen. Sie posieren allesamt vor der türkischen Flagge, in Fotokommentaren werden die "Märtyrer" von damals gefeiert.

Das Amt für Jugend und Familie prüft nun im Auftrag der Stadt Wien eine mögliche Kindeswohlgefährdung. Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) bezeichnete die Bilder als "extrem verstörend". Auch der Bund wurde aktiv. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) beauftragte das Kultusamt mit einer Prüfung. "Ich bin entsetzt", meinte dieser und forderte die Stadt Wien auf, ihre Haltung bei islamischen Kindergärten und Kopftuchverbot grundlegend zu ändern.

"Aktion schadet Ansehen der Muslime"

Kritik kam auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft, der die ATIB-Moscheen unterstehen. Vizepräsident Esad Memic forderte vom Verein eine "klare Stellungnahme" zu den Vorkommnissen im Gebetshaus. Die Aktion schade dem Ansehen der Muslime in Österreich schwer. "Wir erwarten uns hier nicht nur eine umfassende interne Klärung und Maßnahmen, sondern auch eine Information der Öffentlichkeit", hieß es in der Stellungnahme.

"Fassungslos" zeigte sich Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp. Seine Partei warne seit Jahren vor der Einflussnahme des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan über das islamische Vereinswesen in Österreich. Auch für die NEOS sind Kinder in Uniformen "absolut unakzeptabel", so Wiens Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger.

ATIB reagiert auf die Vorwürfe

Der türkische Moscheeverein ATIB hat am Dienstagnachmittag in einer Stellungnahme betont, man habe nach Bekanntwerden der Vorgänge in einer ATIB-Moschee in Wien-Brigittenau, bei denen Buben in Tarnanzügen eine Schlacht aus dem Ersten Weltkrieg nachstellten, sofort Konsequenzen gezogen. Die Veranstaltung sei "auf ausdrückliche Anordnung des Dachvereines" abgebrochen worden, hieß es seitens der ATIB Union.

Die am Dienstag bekannt gewordenen Fotos, die die Vorgänge zeigten, seien "in mehrfacher Hinsicht bedauerlich", erklärte ATIB in der Aussendung. "Sie sind zunächst deshalb bedauerlich, weil die Presseberichte mit keinem Wort die harte Reaktion der ATIB Zentrale anlässlich des Vorfalles erwähnen. Die Veranstaltung wurde lange vor den Presseberichten seitens der ATIB Zentrale sofort nach Bekanntwerden noch vor ihrem Ende auf ausdrückliche Anordnung des Dachvereines abgebrochen. Gleichzeitig wurde nach einer ausführlichen Untersuchung der dafür verantwortliche Obmann des Mitgliedsvereines zum Rücktritt veranlasst."

"Veranstaltung zweckentfremdet"

"Bedauerlich" seien die Fotos auch, weil es sich grundsätzlich um eine Veranstaltung handeln sollte, die "keineswegs dem türkischen Nationalismus und Militarismus" dienen solle. "Ganz im Gegenteil: Die alljährliche Gedenkfeier zur Ehrung von mehr als 300.000 gefallenen Soldaten im Jahr 1915 wird in vielen Staaten gefeiert und soll ein Mahnmal an die kriegerischen Auseinandersetzungen darstellen und für Frieden zwischen den Nationen stehen." ATIB verweist darauf, dass auch in Australien und Neuseeland tausende Menschen alljährlich die Landung ihrer Truppen an der Küste von Gallipoli feiern würden. So sei mittlerweile der "Anzac Day" insbesondere in Australien der wichtigste nationale Feiertag geworden.

Die Ausrichtung in einer Moschee und die Teilnahme von Kindern als Protagonisten habe die Veranstaltung aber "völlig zweckentfremdet", so ATIB. Gerade aus diesem Grund habe der Vorsitzende der ATIB Union die Veranstaltung sofort untersagt und abbrechen lassen. Diese "Entgleisung" sei nicht mit der Linie von ATIB in Einklang zu bringen. Die Union beweise seit mehr als 30 Jahren, dass der Verein "für Toleranz und gegenseitigen Respekt steht" und "keinerlei Berührungspunkte zu religiösem Fanatismus oder radikalem Nationalismus" habe.