Gleich an mehreren parlamentarischen Fronten hat die ÖVP aktuell Krach mit der Opposition – also mit jenen Abgeordneten, die sie und ihre Regierung eigentlich kontrollieren sollten. 

Der Präsident und die Wahrheitspflicht

Den Anfang hatte am Montag Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gemacht. In der "Puls 24"-Sendung "Milborn" hatte er sich dafür ausgesprochen, die Wahrheitspflicht von Auskunftspersonen in Untersuchungsausschüssen aufzuweichen: "Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht. In Deutschland gibt es das nicht", sagte er da, fügte aber hinzu: "Man kann sich da viele Dinge überlegen, wenn man einen Konsens findet."

Sein Sprecher ergänzte später, es gehe um die vielen Entschlagungen von Auskunftspersonen, gegen die ermittelt wird.

Die Opposition will nichts davon wissen: "Im Parlament die Wahrheit zu sagen kann doch nicht zu viel verlangt sein", meinte Kai Jan Krainer (SPÖ). Aber es sei "leider nichts Neues", dass "Wolfgang Sobotka ein Problem mit der Wahrheit" habe. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sieht "ein demokratiepolitisches Schurkenstück, das sich der Herr Nationalratspräsident hier erlaubt".

Keine Mails für den Verfassungsgerichtshof

Der U-Ausschuss bzw. die Haltung der ÖVP dazu beschäftigt ab heute auch den Verfassungsgerichtshof: Er berät über Aktenlieferungen aus dem Bundeskanzleramt bzw. den Mangel an solchen. Das Kanzleramt hatte dem VfGH am Montag 692 Mails von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem "umfassenden Suchprozess" keinerlei "abstrakt relevante Akten und Unterlagen" gefunden hätten.

SPÖ, FPÖ und Neos wollten den Bundeskanzler verpflichten, dem U-Ausschuss weitere Akten und Unterlagen vorzulegen. Konkret haben sie mehrfach beklagt, kein einziges Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Bundeskanzlers erhalten zu haben. Kurz war daraufhin vom VfGH aufgefordert worden, die geforderten Akten, E-Mails und Chatnachrichten dem Höchstgericht zu übermitteln.

Kurz selbst hatte erklärt, nach seiner Abwahl in Folge des Ibiza-Videos 2019 sei alles Relevante veraktet worden, Nicht-Relevantes hingegen vernichtet. "Was es niemals gegeben hat und auch alles, was vernichtet worden ist, das kann selbstverständlich nicht geliefert werden", so der Kanzler. Für Krainer ist damit "amtlich bestätigt, dass der österreichische Bundeskanzler die Verfassung und den Verfassungsgerichtshof offen missachtet".

Keine Antworten vom Kanzler

Für Ärger bei der Opposition sorgt auch die mangelhafte Beantwortung von Anfragen (keine Besonderheit der ÖVP, ein steter Streitpunkt zwischen Regierung und Parlamentariern): Aktuell hat Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper die Antwort auf eine umfangreiche Anfrage zu den Attacken Kurz' auf die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückbekommen – in der sich der Kanzler nun schlicht als "nicht zuständig" erklärt.

"Kurz sagt also permanent Dinge, die nicht stimmen, für die er sich auch vor dem ,Volk‘ nicht rechtfertigen muss, weil er sich zwar einmischt, aber per se technisch nicht zuständig ist", ärgert sich Krisper.