Bislang war es ein Fernduell zwischen Armin Laschet und Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union. Am Dienstag trafen die beiden Widersacher der CDU-Vorsitzende aus Nordrhein-Westfalen und der CSU-Chef aus Bayern erstmals direkt aufeinander. In der gemeinsamen Bundestagsfraktion im Berliner Reichstag duellierten sich Laschet und Söder auf offener Bühne.

Söder sprach doppelt so lang wie Laschet und im Sitzen. Das sollte wohl Gelassenheit adressieren. Der CDU-Chef sprach stehend, er ging in Angriffsposition. Laschet appellierte an die Geschlossenheit der beiden Unionsparteien. „Wir brauchen keine One-Man-Show“, sagte der CDU-Vorsitzende. Zugleich attackierte er Söder inhaltlich scharf. Dieser habe eine Klimaallianz mit dem baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann schmieden wollen. „Am Ende wählen die Leute dann das Original“, warnte der CDU-Chef.

Es gibt kein geregeltes Verfahren

Söder ließ den Namen seines Kontrahenten in seiner Ansprache beinahe unerwähnt. Missachtung als Strafe. Es gehe um die „maximal beste Aufstellung“, und „nicht um die Angenehmste“, verwies Söder auf seine besseren Umfragewerte. Überhaupt macht das Söder Lager mobil. Emsig wurden in der geschlossenen Sitzung die Wortmeldungen der Abgeordneten registriert und nach draußen durchgegeben. In Landesverbänden von Schleswig-Holstein im Norden bis Baden-Württemberg im Süden lag Söder demnach vor Laschet. Ein doppeltes Kalkül. Die Abgeordneten fürchten um ihre Wiederwahl im Herbst, sie bevorzugen den Kandidaten mit den besseren Umfrageresultaten: Söder. Der pochte auf die Mitbestimmung der Fraktion: „Es gibt nur ein Gremium, das gemeinsam tagt.“ Dort kann Söder auf eine Mehrheit hoffen.

Der Union mangelt es schlicht an einem geregelten Verfahren für die Nominierung ihres Kanzlerkandidaten. Die Lage ist widersprüchlich. Söder pocht auf die gefühlte Stimmung an der Basis der Union. Die war es aber gerade, die Laschet im Jänner gegen die vorherrschende Vorliebe beim Parteiestablishment für Friedrich Merz zum Vorsitzenden wählte. Delegitimation durch Verfahren. Der Union fehlt eine ordnende Macht, um den Streit zu klären. Im Mittelalter war das noch einfacher. Da griff – wie bei der Doppelwahl von 1198 zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto IV. - der Papst in die Debatte ein. Es komme nicht allein auf die Zahl, sondern auch die Würde der Wähler an, urteilte Innozenz III. Das sähe dann schlecht aus für den bayerischen Stimmenkönig Söder.  In anderen Fällen wie dem Streit zwischen Ludwig dem Bayern und dem Habsburger Friedrich dem Schönen entschied 1322 die Schlacht. Immerhin, der Unterlegene Friedrich wurde zum Mitkönig ernannt. Laschet mit Nebenamt? In Berlin undenkbar.

Die Fraktionsspitze hielt sich am Dienstag bedeckt. „Wir werden das gemeinsam und einfach hinkriegen“, versprach Klubobmann Ralph Brinkhaus, CDU. Er mochte sich nicht festlegen. Sein Vize, Alexander Dobrindt von der CSU hatte es da einfacher, er pochte auf eine „sehr schnelle Entscheidung“.

Söder hat ein dicht gewebtes Netzwerk

Söder musste am Dienstag auf ein Votum der Fraktion hoffen. Aber er bleibt auf Konfrontationskurs. „Söder kandidiert nicht, wenn er vorher seine Chancen ausreichend kalkuliert hat. Der hat viel telefoniert“, so ein intimer Kenner der bayerischen Politik. Mit dieser Taktik entnervte Söder 2018 in Bayern Horst Seehofer. So sicherte er sich einst sein erstes Landtagsmandat in Franken. Der Mann sagt nichts ohne Hintergedanken. „Bislang jedenfalls hat es nur einer geschafft, nämlich Ludwig Erhard, ein Franke, ein Fürther“, antwortete er einmal auf die Chancen eines möglichen Kanzlers aus dem Freistaat. Schön, dass Söder auch aus Franken stammt. „Am Ende wird alles gut“, sagte Söder am Dienstag auf den Weg in den Berliner Reichstag. Der Mann pokert hoch. Er weiß, Laschet hat mehr zu verlieren.