Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gab sich im vergangenen November beeindruckt von der Widerstandskraft und dem Mut der katholischen Ortskirchen im Irak. Zuvor hatte er das Zweistromland ebenso besucht wie Syrien und sich von der aktuellen Lage der Christen in dem Wirrwarr aus Krieg und Verfolgung einen Eindruck gemacht. „Der Terror des IS hat die Region auf dramatische Weise und langfristig destabilisiert. Die brutale Gewalt der Islamisten hat viele Christen zur Flucht gezwungen“, sagt er seinen Kollegen in der Deutschen Bischofskonferenz, für die er die Kommission Weltkirche leitet.

Selbst nach dem Zurückdrängen der Terrormiliz sei die staatliche Instabilität im Irak noch immer eine Quelle der Gefahr für die immer noch existierende Minderheit in jenem Land, das Papst Franziskus ab heute als erstes Oberhaupt in der Geschichte der katholischen Kirche bereisen wird. Die Gräueltaten an den Christen prägten das Zusammenleben in dem Land nachhaltig.

Der Pontifex besucht zwar das Stammland der Sippe Abrahams und eines der frühen Ausbreitungsgebiete der Christen, doch auch eine Region, aus der Christen immer häufiger flüchten wollen. Viele folgen bereits geflohenen Familienangehörigen, selbst wenn das mit erheblichen Belastungen verbunden sei. So beschreibt es jedenfalls der Erzbischof von Kirkuk und Sulaimaniyah, Yousif Thomas Mirkis OP, in seiner Videobotschaft an die deutschen Bischöfe.

Bindeglied

Christen übernähmen im Irak nicht nur die Rolle als Bindeglied zwischen den Kulturen, sie seien auch oft im Dienst des Bildungs- und Gesundheitswesens überdurchschnittlich eingebunden. Denn unter dem früheren Herrscher Saddam Hussein hatten Christen durch die zugesicherte Religionsfreiheit einen durchaus guten Stand in der irakischen Gesellschaft. Die Regierung in Bagdad förderte seit Beginn der 70er-Jahre sogar die assyrische Sprache. Einzelne Christen hatten hohe Posten in Politik und Verwaltung. Nach 2005 flohen jedoch viele Christen vor den Wirren des Krieges.

Religiös motivierte Gewalttaten nahmen kontinuierlich zu, bestätigen zahlreiche Berichte der Vereinten Nationen und auch von Hilfsorganisationen wie Open Doors, in deren Ranglisten zur Christenverfolgung der Irak regelmäßig weit vorn steht. Aktuell rangiert das Land auf Platz elf. Einen massiven Exodus erlebte der Irak allerdings unter dem Terrorregime des IS. Lebten vor dem Krieg noch rund 700.000 Christen im Land, geht man heute von knapp 175.000 Menschen mit christlichem Glaubensbekenntnis aus.

Die Zahl ist aber zunehmend schwer zu schätzen, weil viele Christen im Zentral- und Südirak keine Symbole mehr öffentlich zeigen. Zudem hat die Türkei in ihrem Kampf gegen die Kurden in der autonomen Region im Norden auch Christen buchstäblich unter Beschuss genommen. 2020 bombardierte die türkische Luftwaffe mehrere christliche Dörfer. Lokalregierungen boten den Flüchtenden auch keinen Schutz, wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisiert. Die historische Reise des Papstes ist – bei allen Sicherheitsbedenken – vor allem ein Signal an den Irak, Christen nicht mehr systematisch zu benachteiligen.