Die rechtsnationale ungarische Fidesz von Viktor Orban hat am Mittwoch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament verlassen. Orbán teilte diesen Schritt mittels eines Schreibens an die Europäische Volkspartei (EVP) mit. "Ich informiere Sie hiermit, dass die Fidesz-Europaabgeordneten ihre Mitgliedschaft in der EVP-Fraktion beenden", so Orban. Einem Twitter-Eintrag zufolge kündigte er den Austritt in einem Brief an EVP-Fraktionschef Manfred Weber an.

Zuvor war es bereits zu einem offenen Konflikt zwischen der Fidesz-Partei und der EVP gekommen. Ungeachtet der Drohungen Orbans hat die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament am Mittwoch eine neue Geschäftsordnung angenommen. Diese ermöglicht es, künftig ganze Delegationen von Mitgliedsparteien aus der EVP-Fraktion auszuschließen oder zu suspendieren. Die Reform sei mit 148 Stimmen zu 28 Gegenstimmen und beschlossen worden, hieß es. Offensichtlich wollte Orban mit dem Brief der EVP-Entscheidung zuvorkommen.

Darin hatte Orban der Fraktion gedroht, welche die Fidesz-Abgeordneten suspendieren will. Wenn es zur Abstimmung und Annahme einer neuen Geschäftsordnung der Fraktion käme, welche die Suspendierung oder den Ausschluss ganzer Gruppen möglich macht, würden die Fidesz-Abgeordneten von sich aus dem Klub der Europäischen Volkspartei austreten, hatte Orban angekündigt.

Zugespitzt hat sich der Konflikt durch Verbalattacken von Fidesz-Politikern gegen EU-Spitzenpolitiker sowie durch den Streit um Rechtsstaatlichkeit in der EU - gegen Ungarn läuft seit 2018 ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Die Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP liegt bereits seit 2019 auf Eis.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments und ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas betonte am Mittwoch, dass die Abstimmung auch "eine Absage an den Erpressungsversuch von Viktor Orban" sei. "Wir in der @EPPGroup lassen uns nicht vorschreiben, worüber wir abstimmen. Dieses Vorgehen Orbans reiht sich in eine Reihe verstörender Aussagen von FIDESZ-Politikern ein", betonte Karas auf Twitter. Karas wollte umgehend einen Antrag auf Suspendierung von Fidesz einbringen.

Zugespitzt hatte sich der Streit zuletzt im Dezember 2020: Nachdem der Fidesz-Delegationsleiter im EU-Parlament, Tamas Deutsch, Aussagen von Fraktionschef Weber (CSU) zur Rechtsstaatlichkeit in die Nähe der Gestapo sowie des Geheimdiensts AVH im kommunistischen Ungarn rückte, wurde er von der EVP-Fraktion suspendiert, allerdings nicht ausgeschlossen. Damals beschloss die EVP, ihre Statuten zu ändern, um auch ganze Delegationen ausschließen zu können. Dieser Schritt ist nun vollzogen.

Größte Fraktion

Die Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, bildet mit 187 Abgeordneten die größte Fraktion im Europaparlament. Dies würde sich auch ohne die zwölf Fidesz-Abgeordneten nicht ändern.

Schon seit Jahren ringt die EVP um ihren Umgang mit dem Fidesz. Die Mitgliedschaft in der EVP-Parteienfamilie wurde schon 2019 auf Eis gelegt - unter anderem wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte sowie wegen Verbalattacken gegen den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Zur Fraktion gehören die Fidesz-Abgeordneten bisher weiter.